Ägypten

Ankunft in Ägypten
Schneller als erwartet bläst der Wind wieder mit 15-20 Knoten gegen uns. Morgens und abends halten wir Funkkontakt mit anderen Yachten, denen es nicht besser geht. Die See wird unangenehm. Unser Dieselverbrauch ist enorm. Die Strecke von nur 100 Seemeilen bis zur nächsten Tankgelegenheit in Südägypten zieht sich mit unserer Geschwindigkeit von nur 2-4 Knoten gegen Wind und Wellen in die Länge!

Wie schön wäre es, wieder einmal Segel zu setzen und ohne Motorgebrumm vorwärts zu kommen! Kaum gedacht, erfüllt sich mein Wunsch nach Stille schneller als erwartet früh am nächsten Morgen. Der Motor setzt aus! Der Diesel ist zu knapp, um bei dieser ruppigen See konstant den Motor zu füttern! Wir setzen sofort den Trecker (Vorsegel) und segeln mit idealen Segelbedingungen flott und ruhig dahin. Leider zurück nach Süden. Zum Glück hat Andi immer mehrere mögliche Ankerplätze und die entsprechenden Wegpunkte auf dem GPS abgespeichert. Dadurch können wir gleich einen guten Ankerplatz 15 sm entfernt ansteuern. Metergenau steuern wir zwischen Gischt aufspritzenden Riffen hindurch. Andi navigiert mit GPS, Computerkarte, Feldstecher und vor allem mit ”Augapfelnavigation”, ich stehe am Steuer und führe die Muscat nach seinen Angaben. Vor einer kleinen Insel bei Hamamat in Südägypten schiessen wir perfekt in den Wind. Andi reisst die Segel runter und wirft von Hand den Anker. Nein also wirklich, beim Segeln wird es fast nie langweilig! Meine Abenteuerlust ist schon längst gesättigt! Ich bin aber mächtig stolz darauf, so ein perfektes Segelmanöver hingelegt zu haben. Schliesslich haben wir ja ein Segelschiff und nicht ein Motorschiff.

Willkommen in Ägypten
Vor dem Festland liegen mehrere grosse Tauchboote. Andi fährt mit dem Dingi eine ziemliche Strecke zum Festland. Dort wird er von einem sehr jungen Soldat mit Polizeifunktion erwartet. Er freut sich sichtlich darüber, dass sein öder, langweiliger Tag endlich eine Abwechslung erhält! Er verlangt, dass wir die Muscat sofort um die Riffe und Korallenköpfe segeln und zwischen den Tauchbooten vor dem Steg ankern. Nein, ohne Diesel segeln wir nicht durch die schlecht kartographierten Riffe, entgegnet Andi. Er organisiert von einem Tauchboot 20 l Diesel. Zurück auf der Muscat und nach einem warmen Frühstück hievt Andi den Anker von Hand hoch (Die Ankerwinch funktioniert mal wieder nicht). Die Fahrt durch das Riff ist kompliziert und erfordert unsere volle Aufmerksamkeit sowie Peilungen, um die genaue Position für die Richtungsänderungen festzustellen. Andi wirft den Anker zwischen den vielen riesigen Tauchbooten beim Pier. Der junge Soldat (er heisst Kemal) und sein Kollege lassen sich von einem zu den Tauchbooten gehörenden Dingi mit Fahrer rüber fahren. Er füllt pflichtbewusst sein Formular aus und telefoniert für weitere Anweisungen mehrmals seinem Boss. Er plaudert noch ein wenig herum und erkundigt sich, ob wir nicht jemanden kennen würden, der, oder genauer gesagt, die mit ihm E-Mails austauschen und sich als mögliche Heiratskandidatin eignen würde. Nach seinem Dienst wolle er Englischlehrer werden und ein kleines Haus könne er auch bieten. Allerdings wünsche er sich für die Zukunft zwei oder mehr Ehefrauen. Dies würde er seiner ersten Frau allerdings erst nach der Heirat mitteilen!

Morgen früh trifft der Tanklastwagen am Pier ein“, sagt er. „Damit dies so gut klappt, brauche ich noch ein grosszügiges Bakschisch (Trinkgeld) für mich und meinen Freund. Würde es euch zudem etwas ausmachen meinem Freund zwei Biere zu schenken? Gerne würde ich auch noch zwei bis drei englische Bücher haben. Und als Erinnerung an euch für uns je ein Souvenir. Nicht zu vergessen auch das kleine Geschenk für mich, meinen Freund und vielleicht hast du auch etwas für meine Mutter und meine Schwester? Die würden sich sehr freuen!“ Wir erfüllen seine Wünsche gerne, merken aber, dass wir ihn stoppen müssen, denn wer weiss schon wie gross seine Sippe ist? „Übrigens ist es euch strengstens verboten an Land zu kommen“. Schade, von unseren Mitseglern wissen wir, dass sie unweit von uns in verschiedenen Buchten ankern und alle an Land ohne grosse Formalitäten willkommen geheissen worden sind! Leider ist er partout nicht weich zu kriegen, nicht einmal die Kinder dürfen ihre Füsse auf den Sand setzen. Nur Andi erhält von ihm eine Ausnahmebewilligung weil er ja mit den Kanistern den Diesel abholen muss.

Wie abgemacht liefert am nächsten Tag ein Tanklastwagen Diesel an die Pier. 200 Liter Diesel füllen wir in Kanister ab und bringen sie auf die Muscat. Weiter können wir trotzdem noch nicht, der kalte Wind bläst zu streng von Norden. Über unseren Funkkontakt hören wir von unseren Freunden, dass auch sie in verschiedenen Buchten Zuflucht gesucht haben, aber alle ohne weiteres an Land dürfen. Ich versuche Kemal zu veranlassen, eine Bewilligung zu einem Landgang zu erreichen. Leider lenkt er nicht ein.

Am späten Nachmittag lässt sich Kemal von einem Angestellten eines Tauchbootes wieder auf die Muscat bringen. Andi schläft tief und fest. Kemals Chef wolle wissen, wann wir denn nun wieder abreisen. Ich erkläre ihm, dass wir auf weniger Wind warten und sehr hoffen, am nächsten Tag abreisen zu können. Ihm gefällt es bei uns im Cockpit und er fragt mich viel über unser westliches Leben aus. Ich merke, dass seine Vorstellung davon dem Leben einer lächerlichen „Soap Opera“ aus Amerika gleicht und seine Kenntnisse sich wohl auf den täglichen Fernsehkonsum beschränken. Er ist sehr nett zu unseren Kindern und tätschelt sie immer wieder. Immer öfter streift er dabei „aus Versehen“ meine Knie, Arme und Beine. Ich wechsle meinen Platz, worüber er sich wundert. Gerne möchte er mal meine feinen Kopfhaare anfassen, da er hörte, dass sich westliche Haare wie Seide anfühlen sollen. Nichts da, es reicht mir. Ich weise ihn von Bord. „Es tut mir ja so leid. Auf keinen Fall will ich Dich belästigen und solltest Du Dich noch einmal bedrängt fühlen, wäre das gegen meine Ehre und ich würde sofort von Bord springen!“ versichert das Kamel (ich habe ihn inzwischen umgetauft und kann es einfach nicht ganz richtig aussprechen, sorry Kemal.) Seine ehrenhafte Versicherung hat er bereits wieder vergessen. Wenig später streift er aus Versehen meine Brüste. „Jetzt reicht es! Was würde passieren, wenn Andi Deine Schwester immer wieder anfassen würde?“ „Ich müsste ihre Ehre verteidigen und Andi töten“, prahlt er. „Siehst Du, Du bist ein wirklicher Ehrenmann. Deshalb stehst Du als Mann, Soldat und Polizist zu Deinem Wort und springst jetzt sofort ins Wasser, so wie Du es als Ehrenmann in Deiner Würde vorgeschlagen hattest“ verlange ich. Er nimmt mich erst nicht ernst, ändert aber schnell seine Meinung! Ich bleibe dabei. Er bittet mich, ihn doch einfach im Dingi an Land zu fahren. „Nein, Du bist ohne uns hergekommen und kannst auch ohne uns gehen. Zudem bläst der Wind zu stark und ich als weibliches Wesen, sehe mich technisch ausserstande einen Motor zu bedienen!“ Das entspricht wohl seinem Bild von Frauen und leuchtet ihm ein. Trotzdem springt er nicht, dafür steht er zu meiner Schadenfreude über eine halbe Stunde im strengen Wind auf der Badeplatte und versucht, einen Fahrer von den Tauchbooten her zu pfeifen. Diese haben zwar auf seine Pfiffe ihre Köpfe gehoben, aber auch schnell wieder ohne zu reagieren gesenkt.

Fast drei Tage lang sitzen wir auf der Muscat vor dem Land fest. Endlich können wir die letzten 50 Seemeilen zum neu gebaggerten offiziellen Einklarierungshafen Port Ghalib mit riesigen Hotelanlagen unter den Kiel nehmen. Unsere Vorräte sind fast alle aufgebraucht. Frische Lebensmittel sind längst aufgegessen, der Konservenvorrat auf einzelne Dosen geschrumpft. Mit einiger Fantasie lassen sich aus dem wenigen Grundvorräten wie Reis, Nudeln, Mehl, Fisch, Fertigsaucen, Gewürzen und den letzten Konserven doch noch vollwertige Mahlzeiten auf den Tisch zaubern, aber Reis mögen Yanik und Fabien wohl für längere Zeit nicht mehr essen!

Luxuriöser Hotelkomplex mit Marina mitten in der Wüste
Die restlichen Meilen zum neuen Einklarierungshafen in Port Ghalib (Marsa Alam) schaffen wir im Nu. Endlich haben wir wieder festen Boden unter den Füssen! Wir jubeln und rennen auf dem Pier hin und her. Der Hafenmanager freut sich mit uns und offeriert, den ganzen Papierkram für uns zu erledigen. Er sorgt dafür, dass Muscat nach 15 Minuten mit dem Heck am Pier der grossen Hotelanlage festgemacht ist. Nur drei Meter entfernt vom grossen Swimmingpool, den wir sofort beschlagnahmen! So toll haben wir wohl noch in keinem Hafen gelegen! Die ganze Hotelinfrastruktur steht uns zur Verfügung. Abends schlemmen wir am grossen Hotelbuffet zur Feier unserer Ankunft. Danach vergnügen wir uns mit einer zweistündigen tollen Show für Hotelgäste und dem zu Besuch verweilenden Investor dieser gigantischen Resortanlage mitten in der Wüste. Bauchtänzerinnen, um sich selbst drehende Derwische, geisterhafte antike Gestalten lassen uns staunen und schliesslich versuche ich selber, graziös meinen Bauch zu schwingen. Wir geniessen erholsame Tage, morgens besuche ich den Bauchtanzkurs, mittags verdrücken wir knusprige, fettige Pommes frites und abends spielen wir mit den Gästen und Seglern Wasserball. Ah, wie gut das tut! Wir füllen unsere Stauräume mit Leckereien aus der Hotelküche, die wir aus einer sechsseitigen Liste aussuchen und zu Supermarktpreisen hier einkaufen können!

Das Wetter ist gut, Zeit für uns weiter zu segeln nach Safaga. 80 Meilen weiter nordwärts legen wir in Safaga im Hafen des Hotel Intercontinental an. Der Luxus, den wir hier als Gäste geniessen dürfen, übersteigt gleich nochmals den Luxus in Port Ghalib! Und dies für günstige 11 USD pro Tag pro Schiff! Wir legen uns zwischen die noblen Gäste an den Pool, bekommen grosse Handtücher zur Verfügung gestellt und spielen zwischendurch fleissig Wasserball.

Trans-Ocean ist ein Deutscher Verein zur Förderung des Segelsportes, dem wir angehören. Auf der ganzen Welt verteilt gibt es Stützpunkte, die ehrenamtlich geführt werden und uns Fahrtensegler bei Problemen helfen oder einfach ein Treffpunkt der Segler sind. In Safaga ist der Stützpunkt in Toms Diver House. Tom und Mimi organisierten, dass unsere neue Bankkarte persönlich von einem Gast aus der Schweiz nach Safaga gebracht wurde! Ausserdem hatten sie uns vor unserer Ankunft in Ägypten per E-Mail viele hilfreiche Infos gesendet. Nur wenige Stunden nach unserer Ankunft sitzen sie in unserem Cockpit mit unserer Post. Wie schön, wieder einmal auf Schweizerdeutsch quatschen zu können! Toms Diver House ist für jene perfekt, die gerne entspannt und gemütlich in persönlicher Atmosphäre tauchen. Das ist genau das richtige für uns. Eigentlich tauche ich ja sehr gerne, aber mich einer der vielen grossen „professionellen“ Tauchorganisationen anzuschliessen, vergällte mir oft schon die Lust am Tauchen. Vor unserem Abtauchen in die Unterwasserwelt, reisen wir aber erst einmal zurück in die Vergangenheit.

Luxor: Eintauchen in die uralte Zeit der Pharaone
Unser Hafenmanager Sharif organisiert für alle Segler in der Marina einen Kleinbus zu einem moderaten Preis. Morgens früh fahren wir in Safaga los und schliessen uns einem Bus-Konvoi nach Luxor an. Der Konvoi wird von der Polizei vor möglichen Terroranschlägen geschützt, zudem ist die ganze Strecke überwacht. Dass ein Schutz überhaupt nötig ist, gefällt mir gar nicht. Andi meint, dass ja schon lange kein Anschlag mehr verübt worden wäre. Ein Grund mehr für mich, als unverbesserlicher Pessimist beunruhigt zu sein. Zwei Tage später explodieren prompt in Dahab am Roten Meer Bomben. Da sind wir zum Glück bereits wohlbehalten in Luxor angekommen.

Wunder im Karnaktempel
In Luxor quartieren wir uns in einem sehr einfachen und günstigen Gasthaus mitten im Zentrum ein. Der Buschauffeur führt uns gleich zu der riesigen Tempelanlage von Karnak. Da stehen wir nun in der brütenden Hitze zwischen vorsintflutlichen Steinquadern und Unmengen von Touristen! Natürlich wissen wir, wie grossartig diese Geschichte hier sein soll. Doch welche Geschichte nun?! Zwar lese ich eifrig aus meinem Reiseführer, aber na ja, begeistern mag ich damit meine Familie nicht. Wir engagieren einen Führer. Welch gute Idee – und welch Glück wir hatten! Er führt uns bildlich und fesselnd in die Welt der Götter Amen, Mut und Chonz ein, führt uns durch die sagenhafte Welt der Pharaone, erzählt deren Intrigen und Hinterlist und begeistert alle fünf von dieser Welt. Die öden Steinhaufen erhalten Leben! Nicht einmal hören wir ein Jammern von unseren Jungs, sondern Fragen über Fragen und halten am Schluss mehrere A4 Blätter voll von Hieroglyphen und Kritzeleien in den Händen, welche die Kinder im Hotel begeistert in ihre Hefte abzeichnen.

Gruss aus Speicher beim Glücksbringer Skarabäus
“Glück kann man immer brauchen”, meint unser Führer zum Abschied. Dreimal soll man dafür um den übergrossen, steinernen Skarabäus gehen. Nützt es nichts, so schadet es auch nichts, sagen wir uns. Dabei erzähle ich den Kindern mehr über den kleinen Mistkäfer, der frühmorgens aus der Erde ans Tageslicht kriecht, seine Mistkugel (Sinnbild für die Erde) vor sich hinrollt und am Abend sich wieder in der Dunkelheit der Erde verkriecht. Nach der ersten Runde werden wir im breitesten Ostschweizer angesprochen: „Entschuldigen Sie, kommen sie aus Trogen und reisen mit ihrer Familie auf einer Segelyacht um die Welt?“ Ich bin baff. Wie sehen wir nur aus, dass wir in dieser Touristenmasse so leicht als Weltenumsegler erkannt werden! Eugen Rubel lacht. Er wohnte lange in Speicher, einem Nachbarort. „Ja, und ich kenne den Lukas. Der hat gesagt, dass Ihr in dieser Gegend seid. Und falls ich auf Euch treffe würde, soll ich einen Gruss von ihm ausrichten!“ Unglaublich, da stehen wir buchstäblich inmitten von Tausenden von Touristen und nur aufgrund einer vagen Beschreibung der Trogener Familie mit den drei Buben, findet uns Eugen! Eugen ist als Gast auf einem Segelschiff beim MedRed Ralley dabei. Leider sind wir alle unter Zeitdruck und müssen zu unseren Bussen zurück eilen – es reicht nicht mal für einen kleinen Drink im Restaurant nebenan.

Abends schlendern wir durch das Arabische Viertel, in welchem wir auch wohnen und lernen einmal mehr, hart zu verhandeln. „Endlich gibt es mal wieder etwas mit unserem Taschengeld zu kaufen“, begeistern sich unsere zwei Grossen. Mein stahlhartes Verhandeln um ihre kleinen Einkäufe mit den Händlern, bringt sie an den Rand der Tränen, das die Händler wiederum rührt.

Im Tal der Könige, Ramses, Kolosse von Memnon
Die Begeisterung für die Welt der Pharaone hält an und wir können es kaum erwarten, Gräber im Tal der Könige zu entdecken. Mit einem befreundeten Ehepaar engagieren wir über das Gästehaus einen Führer für den ganzen Tag, haben aber mit ihm Pech. Die Erklärungen sind spärlich, der Führer verabschiedet sich jeweils fast sofort nach einem kurzen Referat über die jeweilige Sehenswürdigkeit und verschwindet im Restaurant. Zudem ist er unfreundlich, wenn nicht gar frech. Trotzdem ist es schauerlich geheimnisvoll, die Gräber der Pharaone zu entdecken.

Im Tempel der Pharaonin Hatschsepsut schlendern wir einfach noch durch die Anlage. Wir nehmen wahr, wie streng wir bewacht werden von Wachposten auf den umliegenden Hügeln. Auch im Tempel von Ramses macht sich unser Führer nach der kurzen Erklärung von interessanten Wandbildern schnell rar, mit der „witzigen“ Drohung, dass wir bei einer etwaige Verspätung selber schauen sollen, wie wir ins Hotel zurück finden. Im Tempel lernen wir einen einheimischen Moslem kennen, der uns dafür umso mehr erzählt und als Schlussbouquet anschaulich die Mumifizierung erläutert. Fabien legt sich auf seine Anweisung in einer dunklen Kammer auf den Boden, worauf der Mann einen lauten, eindrücklichen Singsang anstimmt und uns animiert, weitere Stimmen nach seiner Anweisung zu summen und jaulen. Das Echo tönt eindrücklich und unheimlich von den kahlen Wänden in der schummrigen Kammer. Er erzählt und beschreibt gruselig, wie der Tote nun mumifiziert wurde. Auch, dass der als Schakal verkleidete Priester, das Hirn des Toten durch die Nase aus dem Schädel gezogen und geschabt habe, das Blut abgelassen, die Eingeweide herausgeschnitten und in tönerne Gefässe gelegt wurden. Danach wurde die Leiche mit Kräuterölen und Leinen einbalsamiert und mumifiziert. Diese eindrückliche Darstellung werden wir wohl nie mehr vergessen! (So ganz nebenbei: das alles mussten wir immer wieder teilweise ins Schweizerdeutsch übersetzen, weil Yanik und Fabien diese englischen “Fachwörter” ja noch nicht so gut verstehen)

Zurück im Gasthaus erzählen wir dem freundlichen Inhaber von dem unprofessionellen Führer. „Das ist das erste Mal, das wir ihn engagiert haben und bedauern es sehr!“ meint dieser. „Ich biete Ihnen dafür an, heute bei Sonnenuntergang mit einer Feluke auf dem Nil Segeln zu gehen, kostenlos natürlich“ Wir sind überrascht von seinem grosszügigen Angebot und nehmen freudig an. Obwohl wir ja eigentlich schon genug gesegelt sind, ist dieses Erlebnis für uns alle traumhaft schön. Entspannt trinken wir süssen Tee auf diesem einfachen Boot, das so schon seit Jahrtausenden gebaut und gesegelt wird. Romantisch lassen wir den schönen Tag mit dem prächtigen Sonnenuntergang auf dem Nil ausklingen.

Farbenpracht beim Gewürzhändler
Am dritten Tag vertiefen wir unser Wissen zur Mumifizierung im dafür spezialisierten Museum, besuchen wir den gleich vor unserer Hoteltüre gelegenen Luxortempel und tauchen noch einmal in die antike Welt der Pharaonen, Alexander des Grossen und der Römer ein. Es reicht noch einmal für einen Spaziergang durch den Arabermarkt, wo ich die amerikanische Kunstmalerin (italienischer Abstammung) Robin vom Segelschiff Nereus treffe. Zusammen besuchen wir den Gewürzhändler, bei dem ich schon vorher köstlichen Tee getrunken und an seinen feinen Gewürzen und Kräutern geschnuppert hatte. Er führt ein reiches Sortiment aus Farben, die aus Naturmaterialien hergestellt seien. Eine Messerspitze voll Farbpulver wird mit Wasser angerührt und bringt eine Farbenexplosionen auf jegliches Material. Nur leider male ich kaum. Aber Robyn. Leider ist der Gewürzhändler im Moment nicht da, aber sein Bruder geht los, ihn zu holen. Das dauert und bald müssten wir zurück im Bus nach Safaga sein. Die Farbe liegt vor uns, so gucken wir sie uns an und ich erzähle Robyn mein Wissen. Dabei tunke ich die Fingerspitze ganz leicht in die Farbe und will darauf spucken um Robyn die fantastische Entfaltung der Farbe zu zeigen. Beim Spucken war ich noch nie sonderlich gut, dafür färbt die wenige Farbe in sekundenschnelle meinen Mund, Zähne und Gaumen grasgrün. Ich wische mir sofort mit meinen Taschentüchern den Mund, aber zu spät, ich sehe aus wie ein grün schäumendes Monster! Robyn kann sich kaum halten vor Lachen und fragt mal kurz nach, ob ich sicher sei, dass die Farbe ungiftig ist. „Na ja, das wirst du jetzt dann gleich sehen!“ antworte ich zur Bestürzung Fabiens, der sich jetzt sehr sorgt. In diesem Moment kommt der Gewürzhändler Ahmed. Er guckt kurz, lacht und ruft seinen Bruder, der mich zum nächsten Wasserhahnen führt, um die Farbe von den Händen und Mund mit Waschpulver zu reinigen. Zusammen trinken wir wieder Tee, doch zum Kauf kommt es trotzdem nicht, da Ahmed von Robyn einen Fantasiepreis verlangt, der den italienischen Teil in Robyns Blut in Wallung bringt und sie zu einem unaufhörlichen Wortschwall verleitet, der von wilden Armbewegungen begleitet wird. Ich bin fasziniert von dem Schauspiel das sich zwischen den beiden abspielt. ziehe es aber vor, mich diskret zu verabschieden und mit Robyn und Fabien auf den Bus zu eilen. Sicher wäre mit viel Zeit, Tee und Musse ein erfolgreicher Handel zustande gekommen.

Farbenpracht im Roten Meer
Nach diesen interessanten, aber auch anstrengenden Tagen in Luxor gönnen wir uns einen Ruhetag am Pool des luxuriösen Hotel Intercontinental. Mit Mimi und Tom unternehmen wir am nächsten Tag zwei spektakuläre Tauchgänge. Während Andi und ich in die farbenprächtige, ruhevolle Unterwasserwelt eintauchen, lassen wir unsere drei Kinder gut behütet von der Crew zurück auf dem Tauchboot. Nach unserem Tauchgang darf Yanik mit Tom in voller Tauchmontur drei Meter tief hinunter, zu den Korallenköpfen und zurück tauchen. Unser Bubblemaker soll es richtig toll gemacht haben, ruhig und gelassen im Wasser gelegen haben. Sogar Fabien darf sich das Tauchzeug mal anziehen und eine Runde unter der Wasseroberfläche tauchen. Der zweite Tauchgang führt uns als besonderen Höhepunkt 25 Meter tief hinunter zum grossen Wrack der „Salaam Express“, die Anfang der neunziger Jahre auf ein Riff aufgelaufen und gesunken ist. Es ist ein tolles Erlebnis (Das tauchen, nicht der Untergang des Schiffes 🙂 ).

Auf nach Suez
Mimi verfolgt die Wetterprognosen und meint, die Wetterbedingungen seien so ideal wie selten zur Weiterreise. Ein Tag mehr am Pool des Hotel Intercontinental hätte mir sehr gefallen, aber hier muss das gute Wetter unbedingt ausgenutzt werden. Wir fahren Tag und Nacht durch bis nach Suez.

Wasser im Schiff! Sinkt die Muscat!!??
Riffe, die schon manchem Schiff zum Verhängnis wurden und kleine Inseln umsteuern wir Tag und Nacht ohne Probleme. Schliesslich sind wir im engen Meerarm vor Suez und dem Kanal ins Mittelmeer. Früh am Morgen höre ich ein Gluckern. Ich lausche, schaue über die Reling. Ah, der Wind hat aufgefrischt, das Wasser kräuselt sich und rauscht. Wenig später gibt der Motor Alarm. Andi eilt in den Motorraum und ruft mehrmals aufgeregt: „Stell den Motor ab!“ Wir haben viel Meerwasser im Motorraum! Wo dringt das Wasser ein? Nicht bei der Propellerwelle, auch nicht bei den beiden Kühlwasserventilen und nicht beim Auspuff. Haben wir ein Leck? Woher denn? Die Muscat ist ein stark gebautes Aluminiumschiff. Sinken wir? Ich überlege kurz, wo unsere wichtigsten Sachen sind, die wir retten müssen und fordere die Kinder auf, Schwimmwesten anzuziehen. Unser Funkrunde läuft gerade auf dem SSB. Ich melde unser Problem, so bleibt jemand auch nach Ende der Funkrunde auf der Frequenz, um uns allenfalls Unterstützung oder Rettung zu rufen, sofern wir es selbst nicht mehr könnten. Die nächste Yacht ist 50 Seemeilen entfernt, alarmiert und bleibt auch auf der Frequenz.

Muscat hat bereits leichte Schräglage nach steuerbord. Andi hört ein Rauschen, rennt ins Cockpit und reisst den Deckel unserer Backskiste auf. Das Wasser steht knietief darin! Jetzt jagen sich die Anweisungen: eine Reihe bilden, wie bei der Feuerwehr, Backskiste ausräumen und die Sachen auf dem Vorschiff lagern, Besen raus, Schnorchelzeugs holen! Andi springt mit dem Besen ins Wasser und stochert von aussen im Ablauf des Cockpits rum. Das Wasser fliesst langsam ab, mit ihm Plastikfetzchen, kleine Legosteine und sonstige Brösel, die in so einen Ablauf festsetzen können. Dies alles verstopfte den Ablauf, in den auch ein Teil des Motorkühlwassers läuft. Da der Ablauf nun verstopft war, staute sich das Wasser in der Backskiste. Dort stieg es an und floss über die beiden Rohre für die Frischluftzufuhr in den Motorraum! Der Motor steht zum Glück erhöht auf einem Fundament, trotzdem sind Werkzeuge und diverses Material nass. Die nächsten Stunden spülen wir all die vielen Sachen aus der Backskiste und Motorraum mit viel Süsswasser, reinigen und trocknen peinlichst alle Teile. Das Werkzeug müssen wir wieder mit einem Ölspray einölen. Das Gute an der Sache ist, dass nun unsere Backskiste und der Motorraum richtig schön aufgeräumt und sauber glänzen! Das gute Frühstück mit Rösti und Spiegelei haben wir uns nach dem Schrecken und der Arbeit verdient!

In der nächsten Nacht treffen wir in der Bucht vor Suez ein. Riesige Tanker liegen im Ankerfeld vor Anker. Kleine Fischerboote werfen überall ihre Netze aus. Am Horizont lodern die orangen Stichflammen der Ölbohrtürme, die Landschaft ist eng bebaut mit modernen hohen Gebäuden. Am frühen Morgen warten wir mehr als eine Stunde auf das OK zur Einfahrt in die Strait of Gubal zum Yachthafen, da gerade die vielen Yachten der Med-Red-Ralleys aufbrechen zur Kanaldurchfahrt nach Ismailia. Als wir mit drei anderen Yachten endlich einfahren, kurven sicher noch 10 bis 15 Yachten wartend rum. Wir erhaschen eine Mooring und machen fest. Eugen, den wir schon in Luxor getroffen hatten, können wir noch schnell zuwinken, bevor er auf einer Yacht der Ralleys abfährt. Bald hängt der Agent des „Prinzen vom Roten Meer“ in seinem Boot neben Muscat und bietet seinen Service zur Organisation der Kanaldurchfahrt an. Vor der Durchfahrt wollen wir aber noch das Weltwunder der Pyramiden und die grossen Schätze aus dem Grab Tut-ench-amuns in Kairo entdecken.

Weltwunder Pyramiden in Kairo
Mit dem Linienbus fahren wir in 90 Minuten nach Kairo. Im Zentrum der Stadt beziehen wir ein grosses Vier-Bett-Zimmer im achten Stock in einem kleinen Gäste-Appartement hoch über den mit Abfall und Satellitenschüsseln übersäten Flachdächern von Kairo. Zum ägyptischen Museum ist es nur ein Katzensprung. Unterwegs treffen wir einen hilfsbereiten Arzt, der uns weismacht, dass das Museum erst nach der Mittagspause um 14 Uhr wieder geöffnet sei. So tappen wir prompt in eine Touristenfalle und lassen uns in einen Parfumladen locken! Ganz unverbindlich schauen wir uns die teure Ware an, wimmeln die angebotenen kühlen Getränke ab, lassen uns den Nacken mit feinen ätherischen Ölen massieren und verabschieden uns wieder (ohne schlechtes Gewissen). Pünktlich um 14 Uhr stehen wir vor dem grossen Museum und stellen fest, dass es ganztags offen ist! Gerne hätten wir einen versierten Museumsführer engagiert, der uns in die antike Zeit zurück versetzt. Im Areal des Museum bietet uns eine Führerin einen 90-minütigen Rundgang für 120 Euro an!! Das ist das Vierfache der bisherigen Forderungen! Dankend verzichten wir darauf und begeben uns zum Schalter, um ein Tonband zu mieten. Diese sind alle bereits vergriffen! Wir fragen nach, was den so ein Führer kostet und erzählen von der hohen Forderung. Die Dame bestätigt, dass 40 Euro angemessen wären. Nun bieten wir den Führern diesen Betrag an und finden tatsächlich einen, mit der Abmachung bei Zufriedenheit noch ein grosszügiges Trinkgeld zu spendieren.

Sollte je jemand ein Museumsbesuch als langweilig empfunden haben, fehlte es wohl einfach am Geschichten erzählen! Keinem von uns wurde es langweilig, eine Auswahl der Tausenden von antiken Gegenständen zu bewundern. Wie viele Betten für jede Gelegenheit im Diesseits oder Jenseits der Pharao brauchte! Heute noch gebräuchliche Erfindungen wie zum Beispiel zusammenklappbare Sonnenschirme und Liegestühle gibt es zu bewundern. Die Geschichte des Rosetta Steines beeindruckt uns, die riesigen Sarkophage und Skulpturen und natürlich die monsterhaften Mumien! Das man einem Toten soviel Gold, Möbel, Essen und Geschenke ins Grab legt, ist kaum zu glauben. Vielleicht hat man ja doch noch nicht alle Schätze in der Wüste gehoben und was wäre, wenn wir die Finder wären?!! Geld und Gold hin oder her, ich erinnere die Kinder an die harte, steinige Wüste unter der brennenden Sonne und welch Ausdauer, Eifer und Fleiss nötig wären, um nur schon ein kleines Loch zu graben!

Das Weltwunder Pyramiden
Und welche Energie, Ausdauer und Kraft braucht es wohl um das Meisterwerk Pyramide zu errichten! Frühmorgens stehen wir vor den imposanten Wundern, die sich die Pharaonen, die Grossvater, Vater und Sohn waren für sich sowie kleinere Pyramiden für ihre Frauen errichten liessen. Wir umwandern die Sphinx. Ein Kamelführer will uns unbedingt einen Kamelritt aufschwatzen. „Einen Tag mit solch sturen Neinsagern von Touristen, bringt kein Glück“, meint der Kamelführer frustriert, „Ich führe ihre ganze Familie mit meinen zwei Kamelen für 10 Euro um die Pyramiden, schlagen sie mein Angebot nicht aus, sonst habe ich meinen Tag zu schlecht gestartet.“ So schaukeln wir gemütlich auf den Kamelen näher zu den grandiosen Bauwerken. Andi schlägt sofort in den Handel ein, mich gegen zwei Kamele einzutauschen. Ha, ha, die Männer finden es sehr lustig. Ich dagegen gebe mich sehr beleidigt, dass mich mein Mann, als Mutter seiner drei Söhne (!) zu einem so geringen Preis verscherbelt, verlange aber, dass der Handel gilt und mich der Mann zu sich nach Hause nimmt. Jetzt ist dem Kameltreiber nicht mehr ganz so wohl in seiner Haut, ich scheine sehr überzeugend zu wirken. Ich erzähle ihm, dass er, da er ja noch so jung sei, neben mir noch viele andere Frauen haben dürfte, ich kaum Essen brauche, aber eine gute Geschäftsfrau sei und er gerade das Geschäft seines Lebens gemacht habe! Jetzt wird es Fabien Angst und Bange, scheint die Mami es doch ernst zu meinen? „Aber Mami, wenn er jetzt keine Kamele mehr hat, musst Du dann die Arbeit von zwei Kamelen übernehmen?“

Der Spass ist vorbei mit dem Kamelritt. Die Kamele bleiben doch in Ägypten und ich bei meiner Familie. Natürlich wollen wir jetzt auch entdecken, wie es in so einer Pyramide innen aussieht! Dafür laufen wir in gebückter Haltung in die stickige, enge und überfüllte Pyramidenkammern, aber darum auch schnell wieder raus! Genauso fasziniert uns das imposante und bewundernswürdige, extra für das Jenseits gebaute, Schiff des Pharaos, dass neben seiner Pyramide zerlegt, aber vollständig ausgerüstet, begraben war. „Wie kann man nur ein so tolles neues Schiff gleich wieder unter die Erde verbuddeln?“ stöhnen unsere Matrosen!

Unser Taxiführer, der uns morgens zu den Pyramiden gefahren hatte und eigentlich für den ganzen Tag engagiert war, hat sich davon gemacht. Seine Frau bekäme gerade ein Kind. Diese Ausrede hatten wir doch schon einmal in Luxor gehört!? Zum Glück haben wir noch nichts bezahlt. Wir lehnen das Angebot seines „Freundes“ ab, uns zu einem höheren Preis herum zu fahren und lassen die vielen Männer, die wohl am Ausgang dieser Touristenfalle interessiert sind, einfach stehen. Gleich um die Ecke nehmen wir für ein kleines Entgelt ein Taxi und lassen uns zur Metro fahren.

Massenware und Menschenmassen auf dem Arabermarkt
In der Metro steigen wir in das für Frauen reservierte Abteil. Andi und die Jungs werden von den Frauen wieder hinaus komplimentiert, während ich die Fahrt mit den schwatzenden, traditionell oder sehr modern gekleideten Frauen geniesse. Unser Ziel ist der grosse Markt im islamischen Viertel. Dort schlendern wir durch kleine Gassen mit Hunderten von kleinen Läden, in denen Souvenirs, Teppiche, Schmuck, Handarbeiten und allerlei Krims Krams angeboten wird und die überfüllt sind mit Massen von Touristen. Dementsprechend verlangen die Händler Wucherpreise. Uns langweilt die zeitraubende Feilscherei in der im arabischen Alltag ungewohnten hektischen Atmosphäre inzwischen. So verziehen wir uns in die abgelegenen Gassen, wo die Einheimischen günstig Alltagsgegenstände einkaufen. Die Menschenmassen werden dichter, der Menschenstrom reisst uns mit. Für die Kinder ist es eine Tortur, wir halten uns so gut es geht in dem Gewimmel aneinander fest und versuchen möglichst schnell wieder in ruhigere Gefilde zu kommen. Am Rande des Viertels versuchen wir eines der seltenen freien Taxis zu ergattern. Ich frage einen wartenden Mann, ob heute ein besonderer Tag im Viertel sei, da die Gassen so überfüllt seien. „Nein, das ist hier Alltag, die Menschen kommen von überall her und kaufen hier ein!“

Abends schlendern wir gemütlich durch die Strassen um unser Hotel in dieser riesigen Stadt mit 17 Millionen Menschen. Nicht einmal werden wir belästigt oder fühlten uns in irgendeiner Weise belangt oder bedroht. Sicher mag das ägyptische aufdringliche Gehabe und die offensichtliche Absicht, uns über das Ohr zu hauen – in den von halbnackten, teils auch sehr arroganten Touristen überschwemmten Orten – ungeheuerlich sein und jegliche Lust auf Kontakt mit Einheimischen verderben. Aber wir sind immer noch überzeugt, dass dies keineswegs der traditionellen Mentalität des Ägypters entspricht, die wir sonst zwar als schlitzohrig, aber auch als sehr gastfreundlich einschätzen.

Wir sind gesättigt von unserem Besuch in dieser emsigen Grossstadt und freuen uns wieder zurück zur Muscat zu fahren. Warum auch immer wir die Bushaltestelle für die Linienbusse nicht fanden, ist uns schleierhaft. Schlussendlich finden wir einen privaten Minibus, der zwischen Suez und Kairo pendelt und noch Platz für uns hat. Als der Bus voll ist, fahren wir los. Unter einer Überführung wir der Bus von einer Gruppe Männern aufgehalten und der Fahrer am Kragen aus dem Bus gezerrt. Es scheint, dass er ernsthafte Probleme hat und womöglich vor unseren Augen zusammengeschlagen wird. Niemand im Bus regt sich oder verzieht auch nur eine Miene! Was geht hier vor? Niemand antwortet. Falls sich die Situation zuspitzt, werde ich die Männer auffordern ihr Opfer anderswo als vor den Augen meiner Kinder, die sehr interessiert zuschauen, zu malträtieren. Schliesslich reisst einer das Autokennzeichen ab, der Busfahrer steigt wieder ein, schimpft und hält beim nächsten Polizisten an, dem er das Geschehen beschreibt. Der Polizist reagiert mürrisch und winkt, weiter zu fahren.

Ein paar Minuten später sind wir zurück an der Bushaltestelle. Wir steigen um in den nächsten Bus und fahren wieder los. Diesmal glückt die Fahrt aus der Stadt. Was war bloss los? „Nun“, wird uns endlich erklärt, „der Busfahrer scheint das Schmiergeld nicht bezahlt zu haben, um ohne Buslizenz seine Dienste anbieten zu dürfen.“

Vor dem Ort Suez hält der Bus mitten auf einer grossen Kreuzung an. Alle steigen aus. Was ist jetzt im Gange? „Hier ist die Endstation! Wohin müssen sie denn genau?“ Nun, wir wollen zum Hafen. Kein Problem, der Fahrer fährt uns nach telefonischer Rücksprache mit seinem „Chef“ bis zum Hafen. Als wir den Kontrollposten zum Yachtclub passieren, fragt uns der Wächter, warum wir in einem unlizenzierten, illegalen Bus anreisen. Nun, diese Feinheiten im ägyptischen Alltag müssen wir erst noch lernen, das leuchtet auch dem Wächter ein.

Passage durch den Suezkanal
Unser Agent hat während unserer Abwesenheit nicht nur unser Schiff im Auge behalten, sondern auch die Formalitäten für die Kanaldurchfahrt erledigt. Am Tag nach unserer Rückkehr fahren wir mit einem Lotsen an Bord los. Gleich nach der Einfahrt in den Kanal stottert der Motor. Beim Aufschiessen der Leinen sehe ich, dass er graue Wassermassen aus dem Auspuff speit! Diskret rufe ich Andi. Er gibt mehr Gas, alles läuft sonst rund, das Wasser wird klar und wir fahren zu. Wie viele Meilen hat uns der Motor vorwärts gebracht und ist uns oft mit seinem lauten Gedröhne auf den Wecker gegangen! Er springt jeweils problemlos an und wir konnten uns immer auf ihn verlassen. So ein technisches kaltes Ding erregt sogar bei mir Respekt und Dankbarkeit. Das provisorisch geflickte Loch im Auspuffsammeltopf macht uns immer mehr Sorgen. Das bereits bestellte Ersatzteil nach Ägypten schicken zu lassen, ist wegen schlechtem Zustellservice unmöglich. Unser Lotse fährt Muscat sicher durch den Kanal und ist sehr freundlich. Auf halber Strecke fängt er sich an zu erkundigen, welches Geschenk wir für ihn vorgesehen haben. Darauf waren wir bereits von Mimi und Tom vorbereitet worden. Ein Trinkgeld in der Höhe von 5.- bis max. 10 US$ ist angemessen und nicht selbstverständlich. Dazu haben wir noch einen Sack voll Geschenke mit Kinderkleidern- und schuhen, Seifen, Rasierwasser, Süssigkeiten und Spielzeug für ihn gepackt.

Wir kommen gut und pünktlich in Ismailia an, das auf halber Strecke nach Port Said liegt. Wir bedanken uns sehr bei dem Lotsen und überreichen ihm unsere nach unserer Ansicht überdurchschnittlich vielen Geschenke und das Geld. Er ist nicht zufrieden und möchte mindestens 50 US$ Trinkgeld, die Geschenke sowie meine Sonnenbrille und noch eine für seine Frau. Andis Geduld ist am Ende. Er erklärt ihm sehr deutlich, dass sich jeder anständige Mensch bedankt, wenn er etwas geschenkt kriegt und man nicht noch mehr Geschenke fordert. Als Andi ihn mit dem Dinghi an Land bringt bedankt er sich dann noch 10 mal. Am nächsten Morgen suche ich meine Sonnenbrille. „Die hat der Lotse mitgenommen!“ ruft Yanik. „Na hört mal, Ihr könnt doch nicht einfach meine unentbehrliche Sonnenbrille verschenken!“ beschwere ich. „Nun, er hat sie auf dem Kopf getragen, als er ging, da dachten wir alle, Du hättest sie ihm geschenkt!“

Ismailia ist ein nettes kleines Städtchen. Von hier fahren wir die zweite Hälfte der Kanalstrecke bis nach Port Said, Ausgangspunkt für die direkte Weiterfahrt in die Türkei. Das heisst auch, dass wir hier auf ideales Mittelmeerwetter warten. Ideales Wetter meint hier allerdings, schwach blasender Nordwest- oder Westwind, da wir kaum mit Ost- oder Südwind rechnen können. In der Zwischenzeit nutzen wir die grossen Waschmaschinen, die komfortablen Duschen des Yachtclubs und den einzigen modernen Supermarkt, den wir auf unserem Weg durch das Rote Meer antreffen. Andi flickt noch einmal den Auspuff-Sammeltopf. Pünktlich um 5.30 Uhr trifft unser Lotse ein und fährt los. Auch er ist sehr freundlich. Wann wird er nach dem Trinkgeld fragen!? Welche nervenden Diskussionen stehen uns mit ihm bevor? Bis nach Port Said kommt aber keine Frage dazu. Wir geben ihm das Couvert mit 10 US$ sowie ein paar Spielsachen für seine Kinder. Er bedankt sich überschwänglich für unsere Grosszügigkeit, schwingt sich über die Reling auf das wartende Lotsenboot, das ihn mitten im Kanal in Port Said abholt. So verschieden sind auch hier die Menschen. Wie wurde mir zweimal in diesem Lande erklärt: „Siehst du wie verschieden meine fünf Finger an meiner Hand sind? Genauso verschieden sind alle Menschen!“

Nach sieben Jahren sind wir mit Muscat zurück im Mittelmeer
Hurra! Wir sind im Mittelmeer! Dieses Meer, das wir vor 7 Jahren im Westen verlassen hatten, erreichen wir nun vom Osten! Wer es bis jetzt noch nicht geglaubt hat, dem sei gesagt, die Erde ist wirklich rund! Schon fühlen wir uns zu Hause, denn diese kleine Pfütze bis in den Norden der Adria zu queren, kann ja nur noch ein Katzensprung sein! Jubelnd verlassen wir Port Said und Afrika umgeben von riesigen Tankern und Containerfrachtern, die uns rasant überholen. Die Tanker fahren schnell und ungewohnt nahe an uns vorbei. Einer hält direkt Kurs auf uns zu. Hat er uns wahrgenommen oder soll ich ihn anfunken? Nun, der Verkehr hier ist immens und die Aufmerksamkeit aller Kapitäne und Steuermänner gefordert. Zudem verfügen diese wohl über modernste Technik mit Radar und allem Drum und Dran. Gleichwohl behalte ich sie ihm Auge. Tatsächlich ändert der Tanker seinen Kurs und zieht an uns vorbei. Backbord holt inzwischen wieder ein Tanker auf. Hinter mir rauscht es. Ich drehe mich um und sehe ein schwarzes Ungetüm nur etwa 100 m hinter uns auf uns zu rauschen! Es bleibt keine Zeit mehr zu funken, der Schiffsname ist sowieso unlesbar. Mir bleibt der Mund offen stehen als dieser Koloss nur etwa 25 m neben uns vorbei zieht und vor dem Bug passiert! Es riecht nach Dieselabgas. Die Muscat schaukelt, als ob sie nur ein Ping-Pong Ball im Schüttelbecher wäre! Die Geschichte (oder das „moderne“ Märchen) von dem Frachter an dem ein Segelschiffmast am Anker hängt, fällt mir ein. Niemand hatte bemerkt, dass das Segelschiff überfahren wurde und wären die Überreste nicht noch am Bug sichtbar gewesen… Ob diese Geschichte nun wahr ist oder nicht, für mich wird klar, dass sie durchaus möglich wäre in dieser Gegend!

Die lange mühsame Passage nordwärts durch das ganze Rote Meer liegt hinter uns und ist Geschichte. Wir hatten Glück mit dem Wetter und konnten es zügig meistern. Vor uns liegen läppische 320 Seemeilen bis zu unserem im letzten Jahr vorgenommenen Ziel Fethye in der Südtürkei. Dies ist unsere letzte grosse Übersegelung. In drei Tagen werden wir zwar genau genommen noch in Asien sein, aber nur noch einen Katzensprung von Europa entfernt. Im „kleinen“ Mittelmeer wollen wir es gemütlich angehen lassen und trotzdem in Ruhe, die für uns relativ kurze Distanz nach Norditalien segeln. Von dort wird es uns einfacher sein, unsere Habseligkeiten nach Hause zu fahren und die Muscat zu verkaufen.

Der Wind bläst schwach mit zwischen 0 bis 10 Knoten aus Nord oder Nordwest, die See ist flach. Auf halbem Weg setzt der Motor ohne Vorwarnung aus. Andi öffnet den Motorraum. Beissender schwarzer Abgasrauch steigt auf. Der Auspuff-Sammeltopf hat jetzt bereits ein grosses Loch und der erst sauber geputzte Motorraum ist schwarz vor Staub! Andi schliesst provisorisch das Loch im defekten Teil, reinigt und kontrolliert alle Teile. Trotzdem springt der Motor nicht mehr an. Wir ziehen die Segel rauf und schaukeln unserem Ziel langsam entgegen. Statt in zwei Tagen gemütlich in der Türkei einzutreffen, werden wir nun doch womöglich tagelang auf hoher See verweilen. Ein kleines Tief baut sich im Westen auf, wie viel Wind wird es uns bringen? In vier Tagen wollte ich mit unseren Seglerfreunden in der Marina auf meinen vierzigsten Geburtstag anstossen. Werden wir es schaffen oder werde ich das neue Jahrzehnt auf der Muscat mit Motorschaden im Mittelmeer beginnen?