Französisch Polynesien

Marquesas Inseln, Französisch Polynesien

Die Inselwelt von Ozeanien ist ein Traumziel vieler Menschen. Weisse, weite und palmenumsäumte Strände, lachende, singende und blumengeschmückte Polynesier, die jeden Fremden herzlich mit einem Kranz aus fein duftender Tiare Blumen (Nationalblume Polynesiens) begrüssen prägen den Mythos. Persönlich sind wir gespannt darauf zu erfahren, wieviel von diesem Mythos wir nach dem Einzug der westlichen „Zivilisation“ erleben werden.

Hananave, Fatu Hiva

Fatu Hiva ist die südlichste und ursprünglichste der 10 Marquesas Inseln in Französisch Polynesien und nur per Versorgungs- oder Segelschiff erreichbar. Wir Segler ankern in der tiefen, engen, von hohen, grünen Felswänden umrandeten Bucht von Hananave. Hananave und Omoa heissen die beiden einzigen Dörfer auf Fatu Hiva. Omoa liegt auf der anderen Seite der Insel und kann nur mit einer Bootsfahrt um die Insel oder einer 5-stündigen Wanderung über den alten Vulkankegel mit einer atemberaubenden Landschaft erreicht werden.

Tauschhandel

Hier in Hananave wachsen Papayas, Bananen, Grapefruit und Limonen in Hülle und Fülle. Niemand ausser dem Bäcker und dem Ladeninhaber nimmt Geld an. Wir tauschen Kleider, Schreibsachen und Parfum gegen Früchte, Hühnerschenkel und Fisch. Da wir uns nicht gewohnt sind, den Proviant durch tauschen zu beschaffen und den lokalen Wert der Esswaren nicht kennen, verabrede ich mich mit ein paar anderen Seglerinnen. Wir landen mit dem Dingi auf der glitschigen Zementrampe. Einheimische Kinder begrüssen uns auf französisch und erkundigen sich zurückhaltend nach unserer Herkunft, unserem Schiff und ob wir Bonbons für sie hätten. Eine kleine Strasse führt gerade durch das Dorf, aus jedem Garten werden wir freundlich begrüsst.

Wir schlendern die Strasse hoch und in eine Seitenstrasse zur Bäckerei, die in einem kleinen Holzverschlag untergebracht ist. Der Ofen wird mit Kokosnussschalen geheizt und ich bin erstaunt, wie gut das einfache Weissbrot hier schmeckt. Gerard, Konditor und Segler von der Westschweiz steht vor der Bäckerei und lehrt dem Bäcker gerade, wie man Pizza backt. Nun, der Bäcker wird seine Fantasie noch brauchen, denn viele der bei uns so alltäglichen Zutaten sind hier nicht leicht oder sehr teuer zu erstehen, wie z.B. Käse und Tomaten.

Während ich geduldig in der kleinen Kolonne vor der Bäckerei warte, bis ich an der Reihe bin, komme ich schnell ins Gespräch mit den lokalen Frauen. Ich werde gefragt, ob ich etwas zum tauschen hätte und gleich nach Hause eingeladen. Bald habe ich die Werte der Waren erfasst, Bananen und Papayas gegen alte T-Shirts, einen Kugelschreiber oder sonstigen Krims Krams, riesige, saftige Grapefruits, Hühnerschenkel oder Fisch gegen Farbstifte, Kinderkleider oder Spielsachen, Haushaltsgeräte, Esswaren, etc. Für eine Flasche Rum, Gewehrkugeln oder ein Parfum könnte ich einen Schubkarren voll Frischware, eine selbstgeschnitzte Holzfigur (Tiki) oder eine Tapa eintauschen. Tatsächlich lerne ich ein paar Tage später eine Frau kennen, die selber Tapas herstellt. Das Herstellen der Tapas ist eine alte Kunst, das Grundmaterial stammt vom Papier-Maulbeerbaum. Dazu wird die Bastschicht des Baumes eingeweicht, danach in eine dünne Schicht weichgeklopft. Es gleicht einem Papyrus und wird mit schwarzem Saft, der auch von diesem Baum stammt, bemalt. Das Handwerk dieser Inselbewohner wird in den klassischen Touristenorte sehr teuer (z. B. eine Tapa in Ansichtskartengrösse für ca. US$ 20.—) gehandelt. Schlussendlich führen wir lachend über unsere ungewohnte Art einzukaufen einen Schubkarren voll Bananenstauden, Papayas, Brotfrüchte, gefrorenen Fisch und Hühnerschenkel zum Dingi. Nur Eier sind trotz der vielen Hühner nicht erhältlich. Die Hühner laufen alle frei herum, so finden die Inselbewohner die Eier nur selten, bevor junge Küken ausschlüpfen. Aber wer braucht schon Eier hier? Morgen kommen wir nochmals vorbei und tauschen die gewünschten alten Schwimmwesten, einen Kinderwagen und sonst noch Kleinigkeiten, die wir gut entbehren können.

Wo die Lieder klingen

Am Abend hallt polynesischer Gesang aus voller Kehle durch die Bucht. Doch so sehr wir auch die Hälse recken, wir können niemanden an Land ausmachen, schon gar keinen Chor. Weit weg können die Sänger nicht sein, so klar und laut ist das bei uns draussen zu hören.

Der nächste Morgen beginnt wieder mit Regenschauer, doch bald strahlt die Sonne den Hang hinunter und lässt die Regentropfen auf den Pflanzen und in den kleinen, die Felswände hinunterstürzenden Bächlein glitzern. Wir verweilen uns im Dorf mit Waren tauschen und spazieren. Die Kindern haben Spass mit anderen Seglerkindern zu spielen. Wir geniessen unser Zusammensein mit den herzlichen, zurückhaltenden und ehrlichen Menschen. Hier wird nichts geklaut und die Bonbons weder aus Händen noch aus der Tasche stibitzt. Ein Polynesier kommt uns mit einer Handtasche entgegen und sucht die Eigentümerin, die wir seelenruhig am spazieren treffen. Welch Gegensatz zu den südamerikanischen Ländern! Am Abend ist uns klar, woher der laute, abendliche Gesang hertönt: aus der kleinen, unscheinbaren Kirche. Hier findet jeden Abend ein Gottesdienst statt, wir sind neugierig und natürlich gespannt auf den polynesischen Gesang. Als wir in der Kirche pünktlich eintreffen, ist sie fast leer, was uns sehr verwundert, wissen wir doch, dass hier jeden Abend die Kirche voll sein soll. Der Pfarrer erklärt uns, das es in diesem kleinen Ort vier Quartiere hat! Jedes Quartier hat eine eigene Madonnastatue und bringt sie heute in die Kirche, begleitet von den Quartierbewohner mit dem quartiereigenen Gesang. Schon ertönt in der Ferne der laute, klare, kraftvolle Gesang. Die erste Gruppe trifft singend ein, während wir draussen die anderen Gruppen aus verschiedenen Richtungen ankommen hören. Wir sind ergriffen, der Gesang geht durch Mark und Bein. Von der Predigt verstehen wir nicht viel, doch wird sowieso mehr gesungen als geschwatzt, wir sind beeindruckt und gehen auch am folgenden Abend zur Kirche. Grosse und kleine Kinder werden getauft und ein Lichterfest mit Kerzen zelebriert. Der Pfarrer ist schliesslich nur 14 Tage auf der Insel zu Besuch. Er ist noch für zwei weitere Inseln zuständig und wird erst wieder in 3 Monaten nach Hananave zurückkehren. In der Zwischenzeit wird ein Einheimischer Laienpriester die Messe abendlich zelebrieren.

An einem der nächsten Tage treffe ich den Pfarrer auf einem Spaziergang. Er erzählt, dass er in der Westschweiz in einem Kloster zur Weiterbildung zu Besuch war. „Ach herrje,“ frage ich ihn, “ was sie wohl von unserem „Kirchengesang“ halten?“ „Na ja“, meint er, „aber so kraftvoll, wie die Menschen auf Fatu Hiva singen, ist auch für die Marquesas Inseln einmalig.“

Wandern in Fatu Hiva

Ein sonniger und trockener Tag lädt zu einer Wanderung zum Wasserfall auf der Insel ein. „Alles geradeaus der Strasse entlang, an der Weggabelung links abbiegen, alles dem Pfad entlang und schon wären wir in ca. 1 Stunde dort,“ wird uns erklärt. Fröhlich wandern wir los, der einzigen Strasse entlang, aus dem Ort hinaus und nach ca. einem halben Kilometer, links weg über eine Brücke. Ein Bursche mit einem mit Bananenstauden bepackten Pferdchen kommt uns entgegen. Zur Sicherheit fragen wir nach dem Weg. Schon sind wir falsch, also zurück zur Wegkreuzung. Erst viel später biegt ein schmaler, unscheinbarer Pfad links ab. Als wir uns umdrehen, steht der Bursche ein bisschen abseits hinter uns und bestätigt unsere Absicht. Ein komisches Gefühl erfasst mich, wären wir in Südamerika und ein Bursche folgt uns so nach… Wir wandern über Stock und Stein durch den tropischen Wald, durchwaten den ersten Bach, vorerst noch ohne nasse Füsse, dann nach weiteren 100 Metern durch einen kleinen Fluss, Diesmal blieben keine Füsse trocken. Vielleicht hätten wir doch besser unsere Strandsandalen, statt der Wanderschuhe angezogen? Der junge Bursche ist immer noch hinter uns, so lassen wir uns unsere Richtung von Zeit zu Zeit immer wieder bestätigen. Eine helle, grüne Lichtung mit einer langen hohen und blühenden Hibiskushecke erstreckt sich vor uns, bevor der Pfad wieder in den vielfältigen, tropischen Wald führt. Mitten im Wald endet der Weg vor einem Bach mit dahinterliegendem undurchdringlichem Dickicht. Fragende Blicke zurück zu unserem unscheinbaren Begleiter, inzwischen ohne Pferdbegleitung. Ja, da führt ein nasser, rutschiger Pfad ins Gestrüpp, unter Baumstämmen durch, über Felsbrocken, Abhängen entlang, unter Felsüberhängen durch. Schweiss tropft mir wie Regen von der Stirn, die Haare kleben klatschnass am Kopf, nicht nur vom Schweiss, sondern auch von der hohen Luftfeuchtigkeit und den immer noch von Bäumen herunterfallenden Regentropfen. Yanik meistert dieses schwierige Stück fast alleine, Fabien tragen wir und reichen ihn dem Partner öfters über oder unter diversen Hindernissen und Abgründen entlang.

Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass es ein Mini-Wasserfall ist, der uns nur ein noch müderes Lächeln entlocken kann. Nach 1 ½ Stunden Wanderung treten wir aus dem Wald heraus und bleiben überrascht stehen. Ein stolzer Wasserfall fällt über eine ca. 35 m hohe Felswand herunter. Unten erwartet uns ein sehr kalter Süsswasserbecken zum Schwimmen. Davor liegen Felsbrocken in einer Wiese und etwa 10 Yachties, die schon vor uns hier eingetroffen sind. Bevor wir ins erfrischende Wasser springen, stärken wir uns mit unserem Lunch. Yanik und Fabien klettern bald über die Felsbrocken im Bach und planschen mit den anderen Kinder. Andi kann es nicht lassen und klettert dem jungen einheimischen Burschen nach auf einen 10 Meter hohen Felsvorsprung und springt runter in den Pool. Ich darf gar nicht daran denken, was wir tun würden, wenn er sich verletzt. Hier abseits im Wald auf Fatu Hiva, wo es auf der ganzen Insel keinen Arzt hat. Der erste Sprung ist tatsächlich gefährlich nahe am Felsen entlang hinunter, erschreckte Yachties empfehlen mir, meinen Mann anzuhalten, weiter nach vorne zu springen. Doch ich kenne ihn gut genug, dass ich weiss, dass er es sowieso so macht, wie er will (Anm. Andi: das sah nur so aus, weil die Felswand einen Bogen machte und ich hinten sprang). Alles geht gut, die nächsten Sprünge sind perfekt und von einer digitalen Fotokamera elektronisch als 10 Sekunden Film gespeichert. Um die Höhe möglichst in der ganzen Grösse auf den Film zu bannen, hat der Filmer die Kamera um 90 Grad gedreht, so ist dieser Mutakt nur mit schiefem Kopf zu bewundern. Andi springt auf dem Video von links nach rechts. Erfrischt und erholt treten wir am Nachmittag unsere Rückwanderung an. Yanik wandert die ganze Strecke alleine wieder zurück. Wir staunen über seine Ausdauer.

Unsere Wanderung hat uns so gut gefallen, dass wir uns am nächsten Morgen gleich wieder bereit machen um auf den Berg über unserer Bucht zu wandern. Wir hoffen auf eine schöne Rundsicht. Yanik zieht trockene, fast ein bisschen zu kleine Turnschuhe an, während wir Fabien Sandalen anziehen. Wir selber stören uns nicht sehr an unseren noch nassen Wanderschuhen. Unterwegs durch das Dorf treffen wir uns flüchtig bekannte deutsche Segler auf dem Weg zum Wasserfall. Wir begleiten sie bis zur ersten Wegkreuzung. Yanik beschliesst spontan, mit den anderen Seglern noch einmal zum Wasserfall zu wandern, während wir weiter auf den Berg wollen. Ich habe meine Zweifel, ob es nicht zuviel für Yanik ist. Aber seine 15 kg Gewicht, wird mir versichert, könnten sie im Notfall auch auf den Schultern tragen. Nun gut, ich packe seinen Lunch in fremde Rucksäcke und sage tschüss. Wir wandern weiter den Weg hoch. Bald regnet es wieder in Strömen. Bäche fliessen uns entgegen. Wir sind in wenigen Minuten durch und durch nass. Andi kehrt mit Fabien zurück während ich meinen Weg im Regen fortsetze. Trotz des Regens geniesse ich es sehr, nach der langen Seereise wieder einmal richtig auszuholen. Die Aussicht auf dem Berg ist nicht besonders: der Pfad führt noch mind. 1 Stunde weiter über den Vulkankegel, bevor es hinunter nach Omoa geht. Vorne sehe ich hinaus auf das Meer, das ich in den letzten Wochen genügend angeschaut hatte. Fotos schiessen macht bei diesem grauen Wetter auch nicht viel Spass, so kehre ich wieder heim. Zurück beim Dingi putze ich meine verschlammten nassen Schuhe als Yanik verdreckt, nass und fröhlich eintrifft. Als ich ihm die Schuhe ausziehe, ist sein grosser Zehennagel schon ganz blau angelaufen und fällt wenige Tage später ab. Auch diesmal ist er alles alleine gewandert und hätte auch nie nur eine Andeutung von Müdigkeit oder eines Schmerzes gemacht.

Offiziell einklarieren können wir erst auf der Nachbarinsel Hiva Oa. Gerade mal drei Tage dürften wir uns unangemeldet in den Marquesas aufhalten. Nach unserer Ankunft hatten wir uns in Fatu Hiva korrekt beim Gendarm gemeldet. Es hat Yachten in Fatu Hiva, die schon 14 Tage vor Anker liegen, wir wollen diese Regelung aber nicht zu sehr strapazieren. Erst nehmen wir noch teil an einer „Island Night“, die von den einheimischen Jugendlichen organisiert wird. Es hat ein Buffett mit einheimischen Spezialitäten wie rohen und gekochten Fisch, Huhn an Kokosnuss- und Currysause Bananen und Reis, usw.. Sie zeigen uns ihre lokalen Tänze und spielen Musik. Nach 10 Tagen nehmen wir schliesslich vom abgeschiedenen, ausschliesslich von den Fahrtenseglern besuchten Paradies Fatu Hiva schweren Herzens Abschied und heben den Anker. Wir wissen, dass sehr viele schöne Inseln mit herzlichen Menschen vor uns liegen, aber auch, dass der Besuch auf Fatu Hiva etwas sehr Besonderes auf unserer Reise bleiben wird.

Nach einem angenehmen Segeltag mit 36 Seemeilen treffen wir in der kleinen, von Seglern überfüllten Bucht von Hiva Oa ein. Wie alle ankern wir mit Bug- und Heckanker. Das Wasser ist trübe und dreckig. Wir erfahren, dass vor zwei Tagen hier das Chaos ausgebrochen war, als heftiger Wind und Regen über Hiva Oa brauste und viele Anker losbrachen. Immer noch fahren Dingis und Yachten umher auf der Suche nach abgerissenen oder abgehängten Ankern.

Einklarieren in Hiva Oa

Da es etwa 2 Kilometer vom Hafen zum Ort ist, machen wir Autostopp. Das erste Auto hält an und nimmt uns mit. Während dem Gespräch erfahren wir, dass unser Fahrer der Bürgermeister von Hiva Oa ist. Im Gegensatz zu Fatu Hiva ist der französische Einfluss merklich spürbarer Die Menschen tragen europäisch/amerikanische Kleidung, auf den Strassen wird relativ viel und schnell gefahren und es scheint, als wären die Leute alle mehr in Eile. Ein Fremder ist hier nichts besonderes. Der Gendarm ist leider gerade unterwegs, so spazieren wir während unserer „Wartezeit“ durch den Ort. Neben Fatu Hiva kann Hiva Oa uns nicht mehr viel bieten. Zudem scheint das Interessanteste, nämlich das Gauguin Museum trotz angeschlagenen Öffnungszeiten geschlossen zu bleiben und niemand weiss darüber genauer Bescheid. Bleibt noch ein im Reiseführer empfohlener Spaziergang zum Grab von Gauguin, das wir uns aber in dieser Hitze mit zwei kleinen Kindern ersparen. Wir beschliessen einzuklarieren und so schnell als möglich entweder Richtung Norden nach Nuku Hiva oder Richtung Westen in das Tuamotus Archipel zu segeln. Endlich erscheint der französische, kurzbehoste, und sehr freundliche Gendarm, erstellt unsere Formulare und schickt uns zur Bank, um unsere Garantiesumme für Nicht-EU-Bürger zu bezahlen. Alle nicht EU-Ausländer müssen nämlich eine Garantiesumme in der Höhe eines Flugtickets zum nächstgelegenen, möglichen Ausreiseort hinterlegen. Da wir ein vorsorglich in der Schweiz beschafftes Visum für Neuseeland haben, beläuft sich diese Summe für uns auf „nur“ US$ 800.—/Person, die Kinder je die Hälfte! Dies wollen wir mit der Kreditkarte bezahlen, dazu werden noch ca. 5 % Kommission und gesamthaft US$ 50.— /Person Bearbeitungsgebühr belastet. Die Bank ist an diesem Vormittag überfüllt. Die Angestellte will uns nur Geld wechseln, für die Garantiesumme sollten wir am Nachmittag nochmals kommen. Zurück auf der Strasse kaufen wir grüne Tomaten von einem kleinen Lastwagen, Die Bäuerin empfiehlt uns, nach dem Mittag eine halbe Stunde vor der Öffnungszeit vor der Bank anzustehen und bei Türöffnung sofort an den Schalter zu rennen, da wir sonst eine lange Wartezeit vor uns haben werden. Wir befolgen dankbar diesen Rat, warten in der brütenden Hitze unsere halbe Stunde und erkämpfen uns beim „Run“ auf den Schalter eine stolze 3. Position! Kaum haben wir uns mit Hilfe der Klimaanlage abgekühlt, deutet die blumengeschmückte Bankangestellte mit ihrem langen Zeigefinger auf uns und ruft laut durch die Bank: „Wollen sie die Garantiesumme bezahlen kommen?“ Verlegen stimmen wir bei. „Tut mir leid, dafür habe ich heute wirklich keine Zeit, kommen sie am Montag.“ „Am Montag sind wir schon weiter Richtung Tuamotus“, behaupten wir keck. (Wir wollen spätestens in 20 Tagen in Raroia an einer Geburtstagsparty teilnehmen.) „Ja, ja, das sagt jeder, aber sie können leider erst am Montag bezahlen“, antwortet die hübsche Dame. Ich lasse mir mein Gefühl des ertappt seins nicht anmerken, ruhig meinen wir, dass es wohl dann ein kleines Problem gebe und wir den Gendarm um Rat fragen wollen. „Ach wissen Sie“, antwortet sie, „kommen sie nach Geschäftsschluss wieder, ich mache für sie eine Ausnahme, bereite alles vor, dann können sie in Ruhe ihren Bond bezahlen.“ Wir danken für ihre „Grosszügigkeit“ und verziehen uns. Uns hat die Bürokratie endgültig wieder eingeholt.

Brütende, feuchte Hitze schlägt uns auf der Strasse entgegen. Steffi und die Kinder spazieren an den schwarzglänzenden, schmalen Sandstrand. Zur Sicherheit geht Andi doch noch zum Gendarm und sagt ihm, dass wir nicht bezahlen können, da die Bank heute keine Zeit habe und wir am Wochenende in die Tuamotus abreisen müssen. Der Gendarm meint lakonisch, wir müssten einfach die Summe innert 5 Tagen bezahlen, die könnten wir natürlich auch auf der Bank auf der Insel Makemo in den Tuamotus bezahlen. Ihn interessiert das ganze aber nicht. Nach einem Besuch im Internetcafe kehrt Andi pünktlich 15 Minuten vor Geschäftsschluss in die Bank zurück. Alles ist vorbereitet, doch das Abbuchen über unsere Kreditkarte funktioniert nicht. Am Morgen haben wir noch problemlos Bargeld in der Bank bezogen! Es bleibt uns nichts anderes übrig als das Wochenende abzuwarten und am Montag wieder die Bank aufzusuchen. Wir fahren mit der Muscat am Samstag zur kleinen Insel Tahuata raus und am Montag früh zurück nach Hiva Oa, um die Garantiesumme doch noch zu bezahlen. Leider ist jetzt der Strom im ganzen Ort ausgefallen. Es sind keine Bankgeschäfte möglich. Am Dienstag wäre alles klar, doch wieder versagt unsere Kreditkarte ihre guten Dienste. Mit 12 Stunden Zeitverschiebung Kontakt mit einem kompetenten, schnellen Bankangestellten der Bank in der Schweiz und aufzunehmen, ist geradezu ein Kunststück. Um Mitternacht stehen wir in der Telefonkabine ohne Rückrufmöglichkeit am Hafen, lassen uns auf der Schweizer Bank von einer Stelle zur andern verbinden, während unsere Zeiteinheiten runterrasseln. Endlich eine resolute, junge Männerstimme, die uns mitteilt: „Jaaa.., warten Sie mal.., wie war eben die Kartennummer? Kann ich sie zurückrufen? Wo sind sie eben? Nein, da kann man nichts machen, alles in Ordnung. Das funktioniert schon. Es ist aber nur ein Bargeldbezug von max. CHF 300 pro Tag möglich, dies ist ein Limit aus Sicherheitsgrünen und kann nicht geändert werden.

Dann ist die Telefonkarte leer. Wir beschliessen, das Unerhörte zu tun, weiter in die Tuamotus zu segeln und uns vorläufig nicht mehr um den Garantiebond zu scheren. Ich finde diesen Garantiebond sowieso eine Frechheit und wir fragen uns, ob das überhaupt rechtlich im Notfall haltbar wäre. Sollen die uns in Papeete erstmals suchen und uns als unerwünschten Gast aus dem autonomen Bezirk Französisch Polynesien des Landes verweisen. (Der Geschichte vorgriffen und zur Beruhigung aller Mütter: es wurde NICHT nach uns gesucht und es ist nichts passiert!)

Leckerbissen vom Tankstellenshop

Während unseren Wartezeiten sind wir öfters in den Supermärkten (wenn man diese Mini-Shops wirklich so nennen darf) mit einem relativ gutem Angebot an französischen Produkten und Frischwaren. In der Realität heisst das, ein mittleres Konservenangebot, verschrumpelte Kartoffeln und Karotten. Dazwischen ab und zu ein Leckerbissen wie z.B. 200 gr. konservierte Geflügelterrine zum Fantasiepreis von CHF 30.—. Eine Dose Bier (33 cl) kostet ca. CHF 6.—. Wir brauchen erstaunliche 3 Tage bis wir merken, dass im Tankstellenshop gleich neben dem Ankerplatz das weitaus beste Warenangebot feilgeboten wird! Andi kommt eines Morgens nicht nur mit einem warmen, frischgebackenen Baguette zurück, nein, er ruft schon vom Dingi seine Freude über die gekaufte frische Butter aus Frankreich und einen französischen Emmentalerkäse in die Küche. Wir sind ganz aus dem Häuschen und können uns kaum satt essen. Nicht zu fassen, unser europäischer Gaumen jauchzt vor Freude. Aber es kommt noch besser!! Am nächsten Tag, liebe Leser ihr werdet unsere Freude kaum nachvollziehen können, erstehen wir einen frischen Gartensalat!!! Sowie frischen Spinat, einen Kohl und 2 Bund grüne, frische Bohnen, direkt aus dem privaten Garten, noch ganz feucht vom morgendlichen Tau und zu annehmbaren Preisen. Stolz trage ich meine Errungenschaften zum Dingi. Unterwegs werde ich von Seglern angesprochen, ich zeige meine Schätze und ausnahmslos rennen alle in die Mobilstation. Nach nur einer Stunde ist alles Gemüse ausverkauft!! Frischen, knackigen Blattsalat und Spinat hatten wir nicht mal in Panama gefunden! Ausserdem grabe ich ein paar Speckscheiben in der riesigen Kühltruhe im Shop aus, die ich am nächsten Tag mit frischen Zwiebeln und Bohnen zubereite! Den Kohl bewahren wir vorläufig als wertvollen Proviant im Kühlschrank auf, bevor wir ihn als Salat geniessen. Wir sind glücklich, was kann uns da noch passieren?

Bitte Frischproviant selber pflücken

Am nächsten Tag segeln wir zum zweitenmal zur Insel Tahuata. Kristallklares Wasser, ein grosser Sandstrand und stechende Sandfliegen erwarten uns. Nach wochenlanger Sandstrandabstinenz ist ein abkühlendes Bad ein besonderer Genuss. 15 deutsche Yachten (plus uns) liegen in der Bucht. Wir geniessen oft einen gemütlichen Anlass in deutschsprechender Runde, wie einen Kaffeenachmittag, eine Geburtstagfeier, einen „Sundowner“ mit Gitarrebegleitung am Strand oder einfach ein gemütliches Beisammensein. Bevor wir weiter in die Tuamotus segeln, möchten wir nochmals gerne unseren Frischproviant aufstocken. Andi fährt in das Dorf in der nächsten Bucht. Er erkundigt sich nach Limonen, Grapefruits, Bananen, Papayas. „Pflücken Sie es von den Bäumen, es wächst ja alles hier,“ erhält er zur Antwort. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Wir pflücken einen Sack voll Limonen, ein paar Papayas, einen Strunk Bananen, die Grapefruits erhalten wir von einem jungen Mann und als Krönung finde ich im Wäldchen hinter dem Strand ein wertvolles Hühnerei. Sogar Schweine und Hühner hätte es hier, aber das ginge ja wohl doch etwas zu weit…

Das Tuamotus Archipel

In vierzehn Tagen wollen Uschi und Günther von der Yacht Schoggelgaul ihre beiden sechzigsten Geburtstage feiern. Dazu laden sie die deutsche Seglergemeinde nach Raroia in den Tuamotus zur Geburtstagsparty mit polynesischem Erdofenschmaus ein. Alles muss selbstverständlich im voraus organisiert werden, und da werden wir Schweizer mit unseren Französischkenntnissen als Dolmetscher gefragt. So segeln wir nach einer schönen Woche in Tahuata weiter in die Tuamotus. Mit 14 Knoten Wind (gegen Ende der Reise weniger) segeln wir 453 Seemeilen nach Raroia. Die Tuamotus sind bei den Seefahrern gefürchtet. Die Inseln erheben sich nur ganz wenig aus dem Meer und sind erst kurz vor Ankunft auszumachen. Die Tidenberechnungen sind sehr wichtig für die Passage in die Atolle. Je nach Atoll muss man bei einem gewissen Tidenstand und Strömungsrichtung (abfliessenden oder einfliessenden Wasser) in die Lagune hineinfahren. Mit GPS, Karten- und Tidenprogrammen auf dem Computer sowie den entsprechenden Segler-Reiseführern ist das heutzutage gut zu meistern.

Um 22.00 Uhr erreichen wir Raroia. Über UKW-Funk haben wir mit der Schoggelgaul Kontakt aufgenommen. Sie empfehlen uns einen sandigen Ankerplatz gleich vor der Laguneneinfahrt. Doch bei dieser Dunkelheit (wider mal Neumond) und der Strömung ist es absolut unmöglich, sich so nahe ans Land heranzuwagen. Wir lassen „Muscat“ die ganze Nacht vor dem Atoll Raroia treiben während Andi Wache hält. 1947 war übrigens Thor Heyerdahls Floss „Kon Tiki“ an der Westküste Raroias gestrandet. Mit seiner 101-Tage-Fahrt von Peru nach Polynesien wollte Heyerdahl beweisen, dass die Besiedlung von Polynesien von Südamerika aus mit der westwärts verlaufenden Meeresströmung möglich war. Heute neigt man zur Ansicht, dass die Besiedlung von Südamerika her nur sporadisch war, die Völker Polynesiens sind vor allem aus dem südost-asiatischen Raum eingewandert.

Am nächsten Morgen um 09.00 Uhr fahren wir neugierig zur Passage. Der Pass ist recht breit, auf jeden Fall breit genug um notfalls umkehren zu können. So wagen wir es eine Stunde vor Niedrigwasser nach unserem Computer-Tidenprogramm die Passage in Angriff zu nehmen. Ein Delfin fischt vor der Passage. In der Mitte hat es offensichtlich eine sehr grosse Strömung und dadurch auch steile Wellen von ca. 1.5 m Höhe. Andi versucht möglichst an der Seite entlang zu fangen. Ich stehe vorne am Bug und halte nach Korallenköpfe im nicht sehr tiefen Wasser Ausschau. Die Strömung des auslaufenden Wassers beträgt über 6 Knoten, wir bleiben unter voller Maschinenstärke in der brodelnden, schäumenden und aufgewühlten Passage stehen. Andi drosselt die Maschine und lässt die Muscat auf das offene Meer zurücktreiben. Wir sind beeindruckt.

Um 10.30 Uhr probieren wir es erneut. Das Wasser fliesst immer noch mit 4 – 5 Knoten ab. Andi steuert die Muscat wider so nahe wie möglich am Uferrand entlang in die Passage. Zum Glück haben wir nur 1.5 m Tiefgang. Ob wir es diesmal schaffen? Langsam arbeiten wir uns vorwärts, als ob wir flussaufwärts gegen starke Strömung und hohe, steile Wellen fahren würden. Es brodelt und schäumt wieder um uns herum. Wir kommen durch. Glücklich fahren wir den Seezeichen entlang um alle Korallenköpfe und Untiefen zu unserem Ankerplatz vor dem Dorf. Wir funken zur SY Orinoco, die noch vor der Passage steht, eine Warnung wegen der starken Strömung durch. Tatsächlich wartet die SY Orinoco noch eine weitere Stunde, bis sie reinfahren können, Tidenprogramm hin oder her. Wir ankern vor dem Dorf eigentlich auf Legerwall vor ein paar Korallenköpfen. Da Raroia ein rundum geschlossenes Atoll ist, sind wir gut geschützt vor den Folgen eines möglichen Starkwindes.

Wie entsteht ein Atoll?

Der westliche Pazifik ist ein sehr unruhiger, von Erdbeben und Vulkanausbrüchen (vor allem unter der Meeresoberfläche) geschüttelter, Erdteil. Heute noch entstehen im Südosten (Tonga) neue Inseln. Vor Millionen von Jahren tauchten aktive Vulkane aus dem Meer auf. Heute unterscheidet man 4 besonders markante Grundtypen von Inseln:

Die Vulkaninseln
Eine Eruption unter Meer liess einen Vulkan aus dem Wasser steigen. Die Insel steigt meist abrupt aus dem Meer heraus. Zu diesem Typ gehören die Marquesas und auch die Osterinseln. Es hat meist kein Riff um diese Inseln.

Barrierriff-Insel
Langsam können die Vulkane wieder zurück ins Meer versinken. Abhängig von der Sinkgeschwindigkeit des Vulkanes ins Meer können Korallen in klarem, sauberen, lauwarmen, sonnendurchflutenden (seichtem) Wasser wachsen und bilden ein Riff und Riffinseln (Motus) um den alten Vulkan. Eine typische Barrierriff-Insel ist Bora Bora. Der alte Vulkan sinkt immer noch weiter ins Meer. Eines fernen Tages wird Bora Bora nur noch ein Atoll wie in den Tuamotus sein.

Atoll
Bei einem Atoll ist der feste Kern im Meer versunken und die Lagune vor den Wellen des Pazifiks durch das Ringriff gut geschützt. Es ist möglich, dass das Riff und die Motus in einem Hurrikan überspült werden. Das Riff ist meist knapp unter der Wasseroberfläche, die Motus nur wenige Meter darüber. Das heisst für den Seefahrer, dass er seine Position gut kennen muss, da er das Atoll erst wenige Meilen davor ausmachen kann.

Strandriff Insel
Die Korallen können sich auch auf dem Vulkan aufbauen. Eine Insel aus Korallengestein erhebt sich aus dem Meer. Niue ist eine Insel aus altem Korallengestein.

Erlebnisse in Raroia

Nach einer so langen Reise freuen wir uns besonders auf ein kühles, erfrischendes Bad im Meer. Doch wie steht es hier mit den Haien? Wir wissen, dass es in diesem, wie vielen weiteren Atollen in den Tuamotus von Haien wimmelt. Um uns Erwachsene habe ich weniger Angst, aber Fabien wäre grad so ein feines Häppchen für diese Fische. Trotzdem kühlen wir uns ab und halten (mind. an diesen erstem Tag in Raroia) wachsam Ausschau. Es ist wirklich nicht anzunehmen, dass, kaum halten wir eine Zehe ins Wasser, ein gefährlicher, hungriger Hai mitten am Tag heran geschossen käme und uns verschlingen würde. Dieses Szenario ist ausschliesslich für Kinofilme reserviert und tut den Haien Unrecht. In diesen Atollen wimmelt es von Riffhaien, die als wenig gefährlich für den Menschen gelten. Natürlich kann es Unfälle mit Haien geben. Dies vor allem beim Fischen, z.B. wenn man einen harpunierten, blutigen, zappelnden Fisch nicht schnell genug ins Schiff bringt und der Hai gleichzeitig mit dem Menschen nach dem Fisch greift/beisst…

Am Nachmittag spazieren wir mit Uschi und Günther sowie anderen Seglerfreunden den schattenspendenden, palmenumsäumter Sandweg entlang durch das kleine Dorf von Raroia. Kleine, pastellfarbige oder weisse Steinhäuser mit 1 – 2 Zimmer stehen auf kleinen grünen Wiesenflecken. Ein Mann kommt aus seinem Haus, begrüsst uns und stellt sich mit Kuranui vor. Er ist der Laienpriester hier, lebt mit seinen Eltern und noch etlichen Geschwistern auf Raroia (hier ist jeder mit jedem verwandt). Wir erzählen ihm schnell von Uschis und Günthers Wunsch hier ein Schwein zu kaufen und im Erdofen zu braten. Er empfiehlt uns, zuerst den Bürgermeister aufzusuchen und die Erlaubnis einzuholen, was wir auch sofort tun.

Wir finden den Bürgermeister eine Schildkröte schlachtend am Strand. Natürlich sind Schildkröten auch auf Raroia geschützt, doch dürfen die Einheimischen wie seit eh und je Schildkröten für den Eigenverbrauch jagen. Kleine Haie umkreisen den Bürgermeister, warten auf ein Stücken „Abfall“ von der Beute. Wir stellen uns alle vor und schildern unsere Absicht, die Geburtstagsparty auf Raroia zu feiern. Ja, klar können sie bei uns feiern. Kommen sie alle Morgen mit ihren Pässen bei uns vorbei, damit wir die Formalitäten für ihren Aufenthalt auf Raroia erledigen können. Mir werden die Knie weich. Oh je, wenn er unsere roten Pässe sieht und unsere Quittung für die Bezahlung der Garantiesumme sehen will? Wie streng sind die hier mit ihren Weisungen? Reicht die Ausrede, dass wir auf dem Nachbaratoll Makemo unsere Summe auf der Bank bezahlen wollen? Trotz diesen Sorgen spazieren wir alle wohlgelaunt weiter und wundern uns, dass einige Einwohner einen Roller benötigen um von einem Dorfrand zum andern zu fahren. Gaston kommt uns entgegen und lädt uns ein, seine Perlenzucht zu besichtigen. Wir vereinbaren, gegen ein annehmbares Entgelt am nächsten Mittag mit allen interessierten Seglern (z.Zt. 6 Segelschiffe) eine Tour auf seine Farm zu machen und uns in die Zucht der sagenhaften, schwarzen Perlen einführen zu lassen.

Besuch auf der Perlenfarm

Pünktlich finden wir uns am nächsten Tag vor der Perlenzucht-Tour beim Bürgermeister mit den Pässen ein. Formulare werden ausgefüllt, das ist alles, nach der Garantiesumme wird gar nicht gefragt.

Erleichtert nehmen wir alle an der Tour teil und fahren in seinem grossen offenen Boot hinaus in die Lagune zur Perlenzucht. Die meisten Perlenfarmen in den Tuamotus gehören den Chinesen in Papeete. So ist Gaston und seine Familie nach Raroia gekommen. Es hat vier Farmen auf Raroia, von denen drei lokale Familienbetriebe sind. Später erfahren wir, dass eine Farm Kuranuis Familie gehört, er ist ein bisschen erzürnt über Gaston, als er hört, das Gaston etwas für die Tour bezahlt haben wollte. Dies ist schon ziemlich unerhört für die gastfreundlichen Polynesier, für unsereins aber auch verständlich. „Ja, hier ist also unsere Zucht“, erklärt uns Alois zwanzigjähriger Sohn mit seinen Freunden und stoppt das grosse, schöne Aluminiumboot mit 50 PS Motor. Wir gucken uns um, nichts als Wasser und ein paar Markierungsbojen sind zu sehen. Haben wir etwas falsch verstanden? Gehen wir nicht raus zu den kleinen Häuschen auf hohen Stelzen, die in der Lagune stehen? Die stellen sich als Aufbewahrungsort der benötigten Werkzeuge heraus. Die Zucht liegt logischerweise unter Wasser und um die zu besichtigen brauchen wir Schnorchel, Flossen und Badezeug. Das Gelächter ist gross, für diese Tour erwarten wir mehr als eine einminütige Fahrt übers Wasser mit Möglichkeit zum Schnorcheln. Ein paar Männer springen mit einer Maske ins Wasser und besichtigen die quer zwischen Bojen gespannten Leinen, an denen senkrecht weitere Spezialleinen (Kollektoren) hängen. An diese Kollektoren hängen sich die winzigen, schwimmenden Austernlarven, um zu wachsen. Bei einer gewissen Grösse der Austern nach ca. zwei Jahren werden sie an Land gebracht, das Implantat, meist eine Mississippi Süsswasserperle oder eine Plastikperle, und ein kleines Stück schwarzes Austernfleisch von einer alten Muschel. werden eingesetzt und an die Leinen befestigt. Hunderttausende in der Lagune von Raroia werden einzeln von Hand bestückt. Nach 15 Monaten werden die Austern sorgfältig geöffnet, die Perle geerntet und die Auster neu mit einem Implantat bestückt. Das kann man max. 3 Mal wiederholen. Zu guter Letzt werden die Austern mit Zitronensaft mariniert und an einer leckeren Vinaigrette angerichtet. Oder landen als Schweinefutter im Trog. Die Perlen werden übrigens nur schwarz, wenn das Kernimplantat mit dem Stück schwarzen Perlenfleisch in Kontakt ist. sonst gibt es weisse Perlen.

Unsere Führer holen zur praktischen Erläuterung eine Leine mit 10 Austern an Bord und fahren uns wieder zurück an Land. Sie zeigen uns, wo und wie man die Säcke in den Austern mit dem Skalpell öffnet, die Perle geerntet wird und das neue Implantat mit Muschelfleisch eingesetzt wird. Natürlich ist jede Perle ein Unikat, das Dunkle der Perlen glänzt in grün, blau,, aubergine, gold oder weiss. Dir Form variiert zwischen rund, oval, tropfenförmig oder barock. Ein Keshi ist eine kleine unförmige Perle, bei der die Auster das 5 mm grosse Implantat abgestossen und nur das eingesetzte schwarze Perlenfleisch ummantelt hat. Die höchste Qualität der Perle zeigt eine gleichmässige Oberfläche und ein schöner, schimmernder Glanz. Es gibt 4 Qualitäten, je nachdem wie die Oberfläche durch Unebenheiten beeinträchtigt ist. Und was kostet nun so eine Perle von bester Qualität? Von US$ 1000 aufwärts an ist vieles möglich…

Unser unglücklicher Grillabend

Zurück am Strand schenken uns ein paar Jugendliche zwei grosse Fische. Wir lassen uns versichern, dass die Fische an einem nicht mit Ciguetera verseuchten Ort gefangen worden sind und laden Wolfgang und Dieter von der SY Galateia zum abendlichen Fischschmaus ein. Ein Ciguetera verseuchter Fisch kann für den Menschen sehr gefährlich sein. Das Gift stammt von einer an abgestorbenen Korallen wachsenden Alge und konzentriert sich in den Fischen, d.h. je grösser der Fisch, desto konzentrierter das Gift. Wo genau Ciguetera vorkommt, wissen die lokalen Fischer am besten. Es ist nicht möglich, ein Ciguetera verseuchter Fisch zu erkennen, besonders gefährdet sind aber alle grossen, algenfressenden Rifffische sowie Rifffisch jagende Fische, wie z.B. grosse Barracudas. Man nimmt heute an, dass die starke Zunahme und die zunehmende Verbreitung von Ciguetera mit der atomaren Verseuchung von Mururoa zusammenhängt.

Wir zünden die Kohle in unseren schönen Schiffsgrill an der Reling an und legen die zwei fein gewürzten Fische auf die glühende Kohle. Wenig später hören wir plötzlich ein blechernes Geklapper Unser Grill dreht sich schnell auf die Seite, die Fische rutschen ins Wasser, der Grill stellt sich wieder auf. Unsere schönen Fische würde ich mit einem schnellen Sprung ins Wasser retten, aber da es inzwischen dunkel ist, hören wir vor allem, wie es um unser Schiff herum im Wasser anfängt zu leben und zu platschen. Mit wenigen Bissen sind unsere Fische weg und es wird wieder ruhig. Ein Sprung ins Wasser ist nachts wirklich nicht zu empfehlen, da viele Fische Nachtjäger sind und genau von solchen Bewegungen und Geräuschen schnell angezogen werden. Oh, je, was tun? Ich renne in die Küche und taue möglichst schnell unsere letzten Hühnerbeine auf. Inzwischen ist unser Besuch mit einer grossen Schüssel Nudelsalat eingetroffen. Ja, das wird jetzt leider noch ein wenig dauern, bis wir die Hühnerbeine essen können. Wir geniessen den Nudelsalat vorerst als Vorspeise, als es wieder scheppert. Mir bleibt der Mund offen stehen und ich kann es fast nicht glauben: Der Grill kippt ein zweites Mal um, dieses Mal endgültig nach unten stehend. Die Hühnerkeulen sowie die Kohle sind weg! Ein wertvoller Fleisch- und Fischvorrat von über einer Woche ins Wasser gekippt! Da bleibt es dann bei dem feinen Nudelsalat und dem guten Wein und bald sieht die Geschichte humorvoller aus.

Tsunami Warnung

„Hey“, ruft heute morgen Stein von SY „Serenade, „habt Ihr gehört, es gab eine Tsunami Warnung vor zwei Tagen!“ Eine Tsunami ist eine Flutwelle, verursacht durch ein Erdbeben, dieses Mal in Peru. Diese Riesenwelle durchquert den Pazifik von Südamerika bis zu den Inseln innert ca. 6 Stunden!! Das heisst, es bleibt sehr wenig Zeit, wenn man überhaupt rechtzeitig auf der Funke die Warnung hört, um sich auf hohe See mit dem Schiff in Sicherheit zu bringen. Die Wellen werden erst gefährlich, wenn sie im Flachen Wasser brechen. Auf hoher See bemerkt man die gar nicht. Als wir konkret von der Warnung hörten, war die Übung schon längst vorbei. Wir haben glücklicherweise nichts davon gespürt, auch nicht die Segler in den Marquesas Inseln, die von der Küstenwache aufgefordert waren, zu ihrer eigenen Sicherheit die Küstengewässer zu verlassen.

Das Fest

Endlich ist es soweit, das Geburtstagsfest von Uschi und Günther kann steigen. Alle Männer stehen morgens um 7.30 Uhr bereit, um das Loch für den Erdofen auszuheben. Als die dort eintreffen ist es schon ausgehoben, ein grosses Feuer angezündet und das ganze mit Korallensteinen ausgelegt. Mit einem grossen Messer wird der armen, zappelnden und quietschenden Sau in die Herzgegend gestochen bis das Blut ausläuft und das Tier verblutet. Dann wird sie sauber ausgenommen und in kleine Portionen vorbereitet. Andi ist sich nun sicher, dass er in Zukunft auch eine Sau schlachten könnte. Ich bin froh, dass wir wissen dass sich in unserem Erdofen ein Schwein befindet und nicht einer der zahlreichen Inselhunde, die den Einheimischen ebenso schmecken. Das aufgefangene Blut und die Innereien kochen die Frauen ein. Tischtücher, Teller, Körbchen und Abdeckung für das Feuer lernen wir (inzwischen sind auch die Seglerinnen eingetroffen) aus Kokospalmenblättern flechten. Das Fleisch wird in die geflochtenen Körbchen abgepackt. Den Brotteig wickeln wir in Palmenblätterspitzen. Frische Papageienfische schneiden die Frauen in mundgerechte Stückchen und marinieren ihn mit Zitronensaft.

In den Ofen schichten wir grüne Blätter des „Seagrape“-Baumes, die Körbchen mit dem Fleisch, das Brot und die Brotfrucht. Alles decken wir schön mit grünen Blättern, geflochtenen Palmenblättern, Jutesäcken und Sand zu und dekorieren unseren fertigen „Umu“ (Erdofen) mit Muscheln und Grünzeug. Inzwischen ist es nach 12.00 Uhr, wir verziehen uns alle auf die Schiffe bist der Schmaus fertig gegart ist und putzen uns für den Abend heraus.

Um 16.00 Uhr ist für alle der Aperitif bereit. Wir stossen auf die Jubilaren an und lassen sie mit viel Laudatio hochleben. Günther hat die Ehre, den ersten Stich in den Erdofen zu stechen und unsere Leckereien aus dem Sand auszugraben. Aus unseren selbstgeflochtenen Kokosblätter-Tellern mundet das Essen doppelt so gut, die frische Kokosnuss ist im Nu leergetrunken, sofern nicht vorher über die festliche Kleidung verschüttet. Es ist nämlich für unsereins nicht ganz einfach die Kokosnuss ohne Strohhalm ordentlich auszutrinken. Eine kleine Musikband mit Ukulele, Gitarre und Hammondorgel spielt mit tahitischer Musik auf. Bis in die Nacht hinein schwingen wir kräftig unsere Tankbeine und so anmutig wie möglich wie die polynesischen Frauen unsere Hüften nach der berühmten polynesischen Tradition.

Nach so einer schönen Party kennen wir nun schon fast alle Dorfbewohner, Besuche werden gegenseitig abgestattet und Perlen bewundert. Am Abend treffen sich die Segler und die Jungen von Raroia zum gemütlichen Singen mit Gitarre und Ukulele im Lagerfeuerschein am Strand. Die Männer vereinbaren eine Fisch- und Kokoskrabbenjagd für den nächsten Tag mit anschliessendem BBQ (Grillade) der gefangenen Köstlichkeiten.

Andis Jagdbericht

Morgens früh um sieben fahren wir bewaffnet mit Harpune und Schleppangel in zwei Dingis los. Die Fahrt geht zu einem grossen Korallenstock im südöstlichen Teil der Insel. Die jungen einheimischen Burschen versichern, dass es hier keine Probleme hätte mit Cigueterra. Wir legen die Anker der Dingis auf den Korallenstock, ziehen Schnorchel, Maske und Flossen an und los geht es. Einer der Einheimischen schleppt eine Kunststoffkiste hinter sich her. Ein Schwarm von Papageienfischen zieht um den Korallenkopf. Es ist sehr einfach, diese zu harpunieren, wir zielen aus 2-3 m Entfernung, schiessen, ziehen den Fisch so schnell als möglich heran und bringen ihn in der Kiste in Sicherheit vor den Haien. Es dauert keine halbe Minute bis der erste Haifisch da ist und uns umkreist. Nach ca. 20 Minuten haben wir den ersten Korallenstock umrundet, ca. 10 Fische gefangen und sind inzwischen von ca. 10 Haifischen begleitet. Schnell klettern alle in die Dingis und wir fahren weiter zum nächsten Korallenstock. Da wiederholt sich das gleiche Spielchen. Der einzige Unterschied? Ausser zwei Haien haben alle die gewohnte, schwarze, dreieckige Flossenspitzen, sind also gewöhnliche, harmlose Riffhaie. Zwei der Fische sind komplett grau. Sofort schwimmen alle zweibeinigen Jäger auf den Korallenkopf, setzen sich hin und schlagen auf das Wasser bis sich diese angriffslustigen Gesellen wieder verziehen. Ist keiner mehr zu sehen, geht die Jagd weiter!

Wieder zurück in den Dingis beschliessen wir, einen dieser Haie zu fangen. Ein Papageienfisch wird ausgenommen und die Innereien an einen Hacken gehängt. Es dauert nicht lange, bis wir einen Hai an der Angel haben. Mit einigem Aufwand wird er herausgezogen. Er zappelt wild und wir müssen aufpassen, dass er uns nicht mit seinem kräftigen Gebiss verletzt. Schläge mit dem Ruder auf den Kopf des Haies zeigen keine Wirkung, erst das Aufschlitzen des Bauches mit einem Messer tötet ihn. Den Haifisch mitnehmen will niemand, das erbarmungswürdige Opfer wird wieder ins Wasser geworfen.

Auf einem unbewohnten Motu (eine der kleinen Inseln, die um die Lagune liegen) lassen wir Segler uns ins Kokosnusskrabben fangen einführen. Wir suchen im Kokospalmenwald eine Krabbenhöhle also grosse Löcher im Boden. Die Kokosnusskrabben hier haben immerhin eine Grösse von ca. 40 cm und können bis zu 30 Jahre alt werden. Sie sind eine Delikatesse und leider inzwischen eine Rarität auf der Welt. Es wird den Krabben nachgesagt, dass sie auf Palmen steigen, Kokosnüsse ernten und diese am Strand einfach knacken. Auf die Palmen steigen ist eindeutig übertrieben, aber mit ihren Zangen knacken sie tatsächlich am Strand liegende Kokosnüsse. Gemäss unserem Reisehandbuch würden Sie ca. 3 Wochen dazu benötigen. Jungen Krabben wäre es gar nicht möglich. Kokosnusskrabben haben noch einiges anderes auf ihrem Speiseplan (Früchte, Kadaver, etc.). Angesicht ihrer riesigen, harten Scheren wollen wir keinesfalls einen unserer Finger riskieren und sind überzeugt, dass einmal zupacken genügen würde, den Finger abzuhacken.

Wir sehen zahlreiche unbewohnte Löcher. Nach einer halben Stunde Suche finden wir ein Höhlenloch in einem Korallenstein, das von einer Krabbe bewohnt ist. Wir Laien fragen uns natürlich, wie man nun diese Krabbe herausbekommt ohne einige der Finger einzubüssen. Nun, es ist ganz einfach: Man greife mit einer Hand tief in die Höhle hinein, packe die Krabbe und ziehe sie heraus. Alles klar? Auf unser skeptisches nachfragen hin erfahren wir, dass sich die Krabbe nicht mit ihren riesigen Klammern wehrt, solange sie noch in der Höhle ist. Wir Europäer getrauen uns aber nicht hineinzulangen. Die Einheimischen haben da aber tatsächlich kein Problem. Es ist aber einfacher gesagt als getan. Unsere Krabbe verkrallt sich in der Steinhöhle und lässt sich überhaupt nicht herausziehen. Krabbenhöhlen haben immer einen Notausgang! Auch diese Höhle hat einen Meter weiter hinten nochmals einen kleinen Ausgang. Wir entfachen dort ein kleines Feuer mit viel Grünzeug zur Raucherzeugung. Bald kommt die Krabbe heraus, die Jungs fangen sie schnell ein und „fesseln“ die Krabbe mit einer Schnur.

Als stolze, erfolgreiche Jäger fahren wir zum Ankerplatz zurück und bereiten unser abendliches BBQ mit mariniertem und gegrillten Papageienfisch, sowie einer delikaten, dem Lobsterfleisch ähnlich schmeckenden Kokosnusskrabbe ein. Die Krabbe hat übrigens am Hinterkörper einen grossen Sack mit einer Flüssigkeit von sehr speziellem Geschmack, die beim Essen als Sauce benutzt wird. Von Ukulele und Gitarre begleitet, singen wir bis in den späten Abend hinein polynesische, französische, englische und deutsche Lieder und geniessen die wunderbare Stimmung.

Ja, hier könnten wir noch lange Polynesien pur geniessen. Inzwischen ist schon längst Juli. Vor uns liegt noch eine sehr lange Strecke mit vielen, schönen Inseln und Kulturen. Das heisst, dass wir langsam wieder einmal ans Abreisen denken sollten. Auch Kuranui wird mit dem Flugzeug von einer Nachbarinsel aus nach Papeete reisen, seine Familie lädt drum alle Segler zum einem grossen, delikaten Abschiedsessen ein: Mit Limonen marinierten Papageienfisch, marinierte Austern an Vinaigrette, chinesische Nudeln mit Huhn, gekochten Fisch, Reis und Brotfruchtkuchen. Ich gebe es ja zu, zuerst war ich ein bisschen skeptisch und ängstlich, ob die polynesische Küche auch unserem Gaumen mundet, aber diese Sorge erwies sich als absolut daneben. Zusammen mit Kuranui werden wir reichhaltig bewirtet, während die übrigen Familienmitglieder zuschauen und sich erst nachher verpflegen. Wir erleben einen wunderschönen Nachmittag und verabschieden uns mit schwerenm Herzens, reich beschenkt mit schwarzen Perlen, Muschelketten und viel Gastfreundschaft.

Wasser im Schiff!

Obwohl fast kein Wind weht, wollen wir los, eine Nachtetappe weiter zum Atoll Makemo. Wir haben Angst, dass wir hier sonst für immer sesshaft werden werden. Unter Maschine fahren wir bei Flaute die 14 Stunden nach Makemo. Unsere Batterien und die Wassertanke sind wieder gut gefüllt, als wir in die einfache, weite Passage in Makemo durchfahren. Wir ankern im tiefblauen, klaren und absolut ruhigem Wasser vor dem Ort.

„Sag mal Andi, was plätschert in unserem Schiff?“ frage ich.
„Ich denke, das Wasser schwappt im Wassertank hin und her „. antwortet er.
Ich putze meine Zähne am Lavabo. „Komisch, ich lasse kaum Wasser laufen und immer wieder stellt die Grauwasserpumpe ein!“ erwidere ich.

Ich hebe eine Bodenplatte in der Küche und sehe eine böse Bescherung: Alle meine Konservendosen stehen tief unter salzigem Wasser!!!

Jetzt geht es rund! Woher kommt das viele Wasser? Wieso stellte sich unsere automatische Bilgenpumpe nicht ein?? Unser vorgesehener Landgang ist natürlich sofort gestrichen! Die Ursache der Überschwemmung ist bald gefunden, bei unserer Entsalzungsanlage ist ein Schlauch abgefallen, das Salzwasser wurde direkt in die Bilge gepumpt. Um 03.00 Uhr morgens hatte Andi die Entsalzungsanlage zuletzt kontrolliert, bald danach muss es passiert sein und mind. 4 Stunden wurde das Wasser in die Bilge gepumpt. Mehr beunruhigt mich aber die Tatsache, dass die Bilgenpumpe keinen Wank tat! Es ist so simpel, ein Kabelschuh ist im Elektrokasten abgefallen vom Relais. Kleine Ursache, grosse Wirkung, wie man so sagt. Mit unserer Reservepumpe saugen wir Hunderte von Litern Salzwassern hinaus. Alle Konservenbüchsen tragen wir auf das Deck und spülen sie gut mit Süsswasser aus, damit sie nicht innert kürzester Zeit durchrosten. Unsere Bilge putzen wir auch gleich sauber raus. Spät am Nachmittag schaffen wir es dann doch noch für den Landgang mit einem Spaziergang durch den kleinen Ort in Makemo. Weit und breit ist keine Bank zu finden um die Garantiesumme zu zahlen, nur ein riesiges Postgebäude, das uns aber nicht weiter hilft. Wir melden uns aber auch hier artig und ohne Probleme beim Polizeiposten an.

Makemo

Makemo ist ganz anders als Raroia. Es hat fast keine schattenspendende Palmen im Dorf, die das spazieren erleichtern, breitere Strassen für den regeren Autoverkehr, drei kleine, gekühlte Supermärkte, die Menschen freundlich, aber zurückgezogener. Wir fragen uns, wieso sie für die 1 km lange Strasse vom Flugfeld bis zum Dorf so grosse 4×4 Autos fahren. Hier legt man wohl wieder mehr Wert auf Statussymbole. Schon am nächsten Tag fahren wir mit der Muscat im Atoll weiter zu den schönen, kleinen Motus und finden einen Sandstrand, so gross wie ein Fussballfeld. Hier verbringen wir wieder schöne Sandstrandtage mit der deutschen Yacht Orinoco und ihren zwei Leichtmatrosen Jonas und Leon, die im gleichen Alter wie Yanik und Fabien sind. Makemo haben zwei Passagen, die weite, durch die wir bei der Ankunft ankamen sowie am anderen Ende des Atolls eine enge Passage, durch die wir das Atoll nach einer Woche Aufenthalt wieder verlassen wollen. Mit der fallenden Tide fahren wir mit 10 Knoten durch das brodelnde Wasser hinaus auf das weite Meer. Wir verlassen die Tuamotus Richtung Papeete, Tahiti in den Gesellschaftsinseln.

Unangenehme Überfahrt von Makemo nach Tahiti

3 Tage wird unsere Reise dauern. Ein kräftiger Wind setzt ein, die See wird rau und holprig. Der Autopilot hat kräftig zu arbeiten. Um Energie zu sparen, stellen wir alle Energiefresser wie z.B. den Kühlschrank aus, sparen an Licht im Schiff und an der nächtlichen Schiffsbeleuchtung. Unsere Batterien werden langsam leer und um sie wieder aufzuladen, müssen wir die Maschine starten und 1.5 Stunden mitlaufen lassen. Doch die Maschine springt nicht an. Haben wir zu wenig Diesel im Tank? Bekommt bei diesem Seegang der Motor zuwenig Diesel zugeführt? Andi entfernt den Schlauch am Tankanschluss und saugt mit einer Handpumpe. Es kommt kein Diesel mehr. Daneben am Anschluss für den Generator ist es besser. Dieses Rohr geht offensichtlich ein bisschen tiefer in den Tank hinein. Er hängt den Anschluss um und entlüftet die Leitung mit der elektrischen Förderpumpe. Zwar hat der Motor jetzt wieder Diesel, aber nun dreht sich der Anlasser nicht mehr. Genau dieses Problem hatten wir, als wir vor ein paar Monaten in Curacao losfahren wollten. Andi hatte zwei Tage lang gesucht, ohne Erfolg, aber plötzlich hatte alles wieder funktioniert. Bis jetzt wissen wir nicht, wo das Problem genau liegt. Vorläufig reicht der Strom ja noch, aber wenn der Autopilot aussetzt, heisst es von Hand am Steuerrad mühsam und stundenlang selber steuern!

Ich lege mich mit den Kindern schon mal in die Koje. Fabien liegt hinten an der Wand neben mir. Trotzdem merke ich nicht, dass er nach Mitternacht über mich krabbelt. Er fällt aus der Koje und schlägt hart mit dem Kopf auf. Er weint kurz und ich lege ihn in seine Koje, wo er wahrscheinlich hin gewollt hatte. Ein Stunde nach diesem Vorfall übergibt sich Fabien. Voller Angst, dass Fabien eine Hirnerschütterung hat, sitze ich mit ihm im Arm im Cockpit und versuche ihn bei dieser Schaukelei so ruhig wie möglich zu halten. Er übergibt sich mehrmals bis zum Morgengrauen. Ich bin am verzweifeln. Die Energie geht dem Ende zu, keine Maschine und keine Sonne um die Batterien zu laden. Jeden Augenblick kann der Autopilot mangels Energie aussteigen und wir müssen von Hand steuern. Dazu Fabien krank in meinen Armen. Oh, du herrliches Seglerleben, wie bist du wieder einmal real. Weit und breit kein Land in Sicht, kein ruhiger Fleck und keine Hilfe.

Am frühen Morgen versucht Andi einmal mehr die Maschine zu starten. Sie startet ohne Probleme. Warum? Wir wissen es nicht, sind aber sehr erleichtert. Als die Batterien geladen sind, stellen wir ab und versuchen die Maschine später wieder zu starten. Kein Problem, wir sind einigermassen beruhigt. Morgens um sieben steht ein munterer Yanik im Niedergang und möchte Frühstück. Auch Fabien möchte ein Stück Brot. Nach einer halben Stunde tollen die beiden im Schiff herum, alles schimpfen und beruhigen nützt nichts. Eben hatte ich noch solche Angst um Fabiens Gesundheit und jetzt tollt er herum als wäre er immer munter gewesen. Ich kann es nicht fassen, bin aber sehr erleichtert.

Ankunft in Tahiti

Endlich ist auch Tahiti in Sicht. Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen. Der Pass der Einfahrt in die Lagune ist weit, ohne grosse Tidenströmung und eigentlich problemlos zu bewältigen. Wir wollen vom Hafenbecken aus hinter dem Riff und am Flughafen vorbei weiter fahren zu einem anderen Ankerplatz. Über UKW fragen wir um die Erlaubnis für die Einfahrt in den Hafen und für das Passieren vor der Flugzeuglandepiste. Alles OK, Passage frei, kein Flugzeug im Anflug. Also, Maschine an, Segel runter. Die Maschine macht wieder mal keinen Wank! Wir bergen die Segel ohne Maschine, bevor Andi sich wieder in den Maschinenraum auf die Suche begibt. Er findet nichts. Wir probieren es wieder und wieder, Andi rüttelt an allen möglichen Kabeln und endlich startet die Maschine. Jetzt aber los, in die Lagune hinein. Direkt vor der Landepiste ruft die Hafenkontrolle ein Schiff und als niemand sonst antwortet, nehmen wir Kontakt auf.

Auf Kollisionskurs mit einem Flugzeug

„Stoppen sie sofort Ihre Fahrt“, verstehen wir auf französisch, „ein Flugzeug landet!“ Ja, dass haben wir inzwischen auch schon festgestellt, das Flugzeug steht schon am Ende der PisteLandepiste und kehrt um. Wir drehen eine Runde und fahren dann weiter zur nahen Maeva Beach zu einem grossen Ankerplatz mit Hunderten vor Anker liegenden Yachten. Endlich lassen wir den Anker fallen. Wir sind mit den letzten Tropfen Diesel angekommen. Nur in einem Kanister haben wir noch eine „eiserne Reserve“ von 10 Liter. In den nächsten Tagen ist Andi mit der Fehlersuche an unserem Motor beschäftigt. Es ist ihm klar, dass es irgend ein elektrisches Problem sein muss, findet aber die Ursache nicht. Neben uns liegt die 105 Fuss (30m) lange Megayacht Maya Rey, deren Crew uns immer freundlich zuwinkt. Kurzerhand fährt Andi mit dem Dingi zu dieser Yacht und fragt die Crew um Hilfe. Der Maschinist und der Kapitän bieten beide ihre Hilfe an und kommengehen gleich mit. Zu dritt wird alles getestet und gemessen, es ist alles OK,doch die Ursache der Startprobleme unseres Motors bleibt aber weiterhin im Dunkeln. Irgendwo versteckt sich wahrscheinlich ein Wackelkontakt. Vorläufig müssen wir uns wohl mit Kabel rütteln zubegnügen, bevor Andi in Neuseeland die ganze Verkabelung überprüfen (erneuern) kann. Im Moment springt der Motor wieder ohne Probleme an.

Nun sind wir also im Haupt-Verwaltungsort von Französisch Polynesien. Wie schön die Trauminsel Tahiti wirklich ist, welche Purzelbäume wir wegen unseres Nichtbezahlens der Garantiesumme schlagen müssen und was uns auf den anderen Gesellschaftsinseln erwartet, erfährt ihr in unserem nächsten Reisebericht, der nicht allzu lange auf sich warten lassen sollte!!! (Internetzugänge werden wieder zahlreicher und günstiger)