Curacao

Pause in Curacao, August 2000 bis Februar 2001

Bon Bini na Curacao

Curacao gehört zu den niederländischen Antillen, 472 km2 Fläche soll meine Wahlheimat für die nächsten 6 Monate messen. 170’000 Einwohner, wovon die meisten in der Hauptstadt Willemstadt, bzw. in den angrenzenden Orten wohnen, im öffentlichen Dienst oder in den Ölraffinierien beschäftigt sind. Die Sprache ist vorwiegend Papiumento hulanda, eine Sprache aus ca. 10’000 Worten, meist vom spanischen oder holländischen abgeleitet, die weiter benötigten Ausdrücke sind holländisch.

Curacao ist eine sehr trockene, braune Inseln, wild bewachsen von meterhohen Kakteen und Dornengestrüpp, dazwischen ein Divi-Divi Baum mit weiter schattenspendender Baumkrone. Ab und zu ein Leguan, der gemächlich herumliegt und plötzlich in Rekordtempo verschwindet oder schwarz-gelbe Trupiale, der Nationalvogel von Curacao. Die Regenzeit beschränkt sich auf wenige Wochen im Oktober, vielleicht noch im November, dann blühen lila Blumenteppiche über die ganze Insel, Gras schiesst in die Höhe, die Insel verändert sich für die nächsten zwei Monate.

Die Überraschung ist Willemstad. Eine typisch holländische Innenstadt, bunt, schmuck und sauber. Das schönste Gemüse und die süssesten Früchte kauft man am „Floating Market“ bei den Venezolanern direkt vom Schiff weg. Viele kleine indische Geschäfte mit sich wiederholendem Kleiderangebot und Krims Krams zu günstigen Preisen laden zum Schlendern ein. Die 1888 eingeweihte, schwimmende Emmabrücke verbindet die Quartiere Punda mit Otrobanda und ermöglicht dank der speziellen Konstruktion die Brücke zu öffnen und Ozeanriesen aus aller Welt in das Schottegatt zu dem Kreuzfahrtschiffsteg, Ölraffinierien oder ins Trockendock zu fahren. Vor allem Passagiere von Kreuzfahrtschiff besuchen Willemstad zu Hunderttausenden jedes Jahr.

Unsere Muscat liegt im Süden der Insel in der grossen Lagune Spaanse Water vor Anker. Direkt vor dem Seglertreffpunkt Sarifundy mit Restaurant und Bar. Ideal eingerichtet mit Internet (falls es funktionierte), Fax, Telefon und täglichen Bussen zu verschiedenen Supermärkten. Leider aber ohne Sandstrand in der Lagune. Diese sind ausser am Westpunt (ganz im Nordwesten) der Insel alle künstlich aufgeschüttet und kosten Eintritt. Das hält uns aber von Besuchen mit dem Dinghi nicht ab, denn Baden ist gratis, erst den Strand betreten kostet. Alles klar?

Andi ist nach Hause gereist, bringt unsere anfallenden Schriftsachen in Ordnung und verdient unsere Bordkasse für die nächsten Monate. Tja, und ich arme verlassene Frau mit zwei kleinen Kindern bin ganz alleine auf Muscat vor Anker?! Nein, diese Ansicht überlasse ich anderen und entscheide mich für die positive Variante: Was will ich noch mehr, als mit meinem zwei kleinen Schätzen auf unserem schönen Segelschiff ein paar Monate in der herrlichen Karibik zu verbringen?! In der Hängematte schaukeln, ab und zu ein Bad im 30 Grad warmen Meerwasser? Natürlich fehlt uns Andi.

Lange haben wir beraten, ob es besser ist, in einer Marina zu bleiben oder vor dem Sarifundy zu ankern. Was für Vorteile bringt mir die Marina? Strom und Wasser im Überfluss und einen kleinen Privatsandstrand zum baden. Der grösste Nachteil ist die abgelegene Lage, zwar kann ich mit dem Eigentümer zum Einkaufen fahren, aber der Kontakt mit anderen Yachten, die vor Anker liegen, wird schwierig. Zudem möchte ich Yanik in den Kindergarten schicken und zum Bus in die Stadt ist es bedeutend weiter mit dem Dinghi. Alle anderen vorzustellenden, technischen Probleme, wie Ausfall der Grau-, Süss- oder Salzwasserpumpe, Toilette, etc. können immer auftreten, egal ob Marina oder vor Anker. Ich entscheide mich für das vor Anker liegen, inmitten vieler befreundeten Yachties. Wir geniessen Aperitifs, Grillabende, Badepläusche, Crepe essen, Kindergeburtstage, Frühstück am Sandstrand und viele lustige Stunden zusammen.

Yanik im Kindergarten

Yaniks erster Schultag! Er ist ja schon so gross. Wir haben einen Kindergartenplatz gefunden, der einen Schulbusservice hat. Yanik tut es sehr gut, wenn er die nächsten Monate mit Kindern verbringt, finden Andi und ich. In Curacao ist es wie in vielen Ländern normal, Kinder ab vier Jahren am Vormittag in den Kindergarten zu senden. Wir freuen uns alle darauf.

Die Küchenuhr summt bereits um 5.45 Uhr! Ich bereite den Znüni fertig und wecke Yanik um 06.00 Uhr. Er isst im Halbschlaf sein Honigbrötli, ich ziehe ihn an und schon ist es 06.10. Jetzt muss ich Fabien wecken, anziehen und dann geht es ab ins Dinghi. Punkt 6.20 Uhr stehen wir bereit für den Schulbus auf dem Parkplatz beim Sarifundy. Meist etwas verspätet braust der Kleinbus an, bereits beladen mit etwa 35 Kindern im Alter von 4 bis 12 Jahren auf 11 Sitzen. Vorerst fahre ich noch mit, zu Dritt auf einem Sitz vorne. Der Bus erreicht unsere Schule schon um 6.50 Uhr. Zeit um noch die restlichen Brotecken zu verspeisen. Spielen dürfen wir aus Versicherungsgründen nicht vor Schulbeginn. Um 7.15 Uhr treffen die Kindergärtnerinnen der Admiral P.L. Brionschule ein und um 7.45 Uhr fängt der Kindergarten an. Sie spielen, klatschen, turnen, basteln, zählen, lernen Farben und Formen und jeden Monat geht es mit dem Bus zu einem Ausflug. Einmal in Tierheim, zur Samichlausfeier, Weihnachtsessen im Mac Donalds, usw.

Yanik gefällt es überhaupt nicht. Mir schmerzt das Herz, wenn ich ihn am Morgen in der Schule auf seinem Stühlchen traurig sitzen sehe und mit Fabien, der sehr gerne bleiben würde, wieder zurückfahre. Als wir dann zum dritten Mal vom Schulbus vergessen werden oder der Bus sich wegen platten Reifen viel verspätet und wir vergebens warten, gebe ich nach. Yanik muss ja noch nicht in den Kindergarten und es sollte ihm Spass machen. Ich erkläre Yanik, dass wir nicht mehr in den Kindergarten gehen. Zu meiner riesigen Überraschung insistiert Yanik und will unbedingt in den Kindergarten. Ich höre wohl nicht recht. Na, dass ist ja ein Erfolg, den ich ausnutzen will. Wir fahren mit dem Dinghi quer durch die Lagune zur Bushaltestelle. Es ist schon nach 7.15 Uhr. Der Linienbus ist inzwischen längst abgefahren. Ich halte einen Fischer an und bitte ihn, uns in die Stadt zu fahren. Glücklicherweise ist seine Autogarage nur grad zwei Strassen von der Schule entfernt und er bringt uns direkt zur Schule, gerade rechtzeitig bevor die Tore um 8.00 Uhr geschlossen werden. Yanik spaziert ins Klassenzimmer, lacht und schalkt. Ich froh und glücklich, aber auch verblüfft, wie leicht mich mein Söhnchen an der Nase herumführt. Die Kindergärtnerin bestätigt mir, dass Yanik, kaum bin ich um die Ecke, aufgeweckt und laut ist, kaum mehr wiederzuerkennen. Meine Unsicherheit, ob diese Schule richtig ist, hat sich gelegt. Zwar ist Yanik in der ganzen Schulanlage das einzige weisse Kind, die Schule gilt nicht als besonders angesehen, doch stelle ich bald fest, dass er gut integriert ist, eine tolle Kindergärtnerin und fröhliche, herzliche Kameraden hat.

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Reparaturen, Reparaturen und Hurrikanwarnung

In der Hängematte schaukle ich nicht mehr, die ist gründlich runtergefallen und bedarf einer grösseren Reparatur. Reparaturen benötigen auch diverse andere Installationen auf dem Schiff. Die Salzwasserkühlung der Hauptmaschine verliert Seewasser weil die Kugellager defekt sind und die Lichtmaschine ist ausgefallen. Das heisst kein Strom. Kein Strom heisst keine Kühlung des Kühlschrankes, kein Licht, kein Funk, kein Computer, keine Musik. Andi bestellt eine neue Lichtmaschine, die alte sende ich zurück zur Reparatur und werden sie als Reserve auf unsere Weiterreise mitnehmen. Ich kann auf meine Seglerkollegen zählen, sie helfen mir aus, wo und wie es immer geht.

Seit ein paar Tagen verfolge ich anhand der Wetterprognose den Verlauf des Hurrican Joyce, der immer noch auf direktem Kurs nach Trinidad ist. Es ist ein gemütlicher Sonntag als ich auf der Funke von Katrin und ihren Freunden aufgerufen werde. Sie wollen in etwa zehn Minuten kommen und helfen, mein Schiff in die Mangroven zu verlegen und zu dort zu vertauen. Der Hurrikan werde in etwa zwei Tagen nördlich an Curacao vorbeiziehen und es werde mindestens ein Sturm, wenn nicht noch Schlimmeres befürchtet. Ich gucke aus dem Fenster und tatsächlich haben sich schon einige Yachten in die Mangroven geflüchtet, gerade sehe ich noch das Heck der EOS verschwinden. Toll, ich habe doch gar keine Maschine und in die Mangroven segeln ist unmöglich. „Kein Problem, wir kommen und schleppen dich ab mit unseren Katamaranen“, meint Kathrin. Ich winke vorerst ab und erkundige mich auf der Nachbaryacht bei Aldo nach seinen Plänen und seiner Meinung. Wir beschliessen, alles sturmklar zu machen, den zweiten Anker zu setzen und den Sturm abzuwettern. Hier weiss ich, dass mein Anker hält, das ist erprobt, aber in den Mangroven? Ich informiere meine Familie in der Schweiz, klariere auf, lege die Schwimmwesten bereit, behalte Yanik zu Hause und warte den angekündigten, schwarzen Montag ab. Vielleicht wäre ich doch besser in ein Hotel geflüchtet? Sind die Hotel hier überhaupt sturmsicher gebaut? Nein, mein Entschluss steht fest, alles dichtmachen und der Dinge harren, die da kommen werden. Schliesslich ist die Muscat robust und zum schwimmen gebaut. Lars vom Sarifundy beschwichtigt, dass nur alle 100 Jahre ein Hurrikan über die Insel brause und der letzte wäre 1898 gewesen. Sehr beruhigend…

Am Montag regnet es in Strömen, innert kurzer Zeit schöpfe ich 70 Liter Wasser aus dem Sonnendach in den Tank. Dann wird es absolut still, kein Hund, kein Vogel, kein Motor, eine komisch anmutende Stille rund um mich. Wir wagen uns hinaus und es tut gut, über die Schiffe hinweg mit anderen zu reden und zu spassen. Nicht das mindeste Kräuseln des Wassers, die Schiffe schwojen abwechselnd in alle Himmelsrichtung. Ich beginne das Deck zu putzen und die Kinder schöpfen das Dinghi aus, das schon wieder über die Hälfte mit Regenwasser gefüllt ist. Spät am Nachmittag das grosse Aufatmen, Joyce hat sich aufgelöst. Ein aufregender Tag trotz Ruhe und Stille ist vorbei. Langsam stellen sich Zweifel ein, ob es gut ist, die nächsten Monate alleine mit der Muscat hier zu harren.

Die Reparaturen gehen auch am nächsten Tag sofort weiter. Die Grauwasserpumpe fällt mehrmals aus und das gebrauchte Abwasser fliesst in die Bilge, statt dass es aus dem Schiff gepumpt wird. Aldo mein grossartiger Helfer reinigt und repariert nun fast täglich. Bei der Entsalzungsanlage platzt ein Schlauch, das Seewasser fliesst seitlich in die Werkzeugsstauräume. Bis ich das Salzwasser in den Stauräumen feststelle, hat sich schon Rost festgesetzt, alle Schleifpapiere sind durchweicht, aber glücklicherweise sind alle Maschinen unbeschädigt und das meiste kann ich gut putzen und pflegen. Fast jeder Tag bringt ein kleineres oder grösseres Übel, sei es eine Berührung mit einer Qualle beim Schwimmen, deren Nervengift mich eine Nacht kaum schlafen lässt, Fabiens Nutellageschmier durch das ganze Schiff mit braunen Hand- und Fussabdrücken vom Cockpit querfeldein bis ins Bad, tap, tap, tap den Kästen entlang bis zum Lavabo. Sei es der beim Sarifundy ins Wasser fallende Schnuller, der drei Amerikaner zu einer auf den Knien robbenden Helferschaft werden lässt. Fabien weiss es besser, springt ohne Schwimmhilfe ins Wasser und paddelt unter den Schwimmponton, ich samt Geldbörse und Funktelefon hinterher. Oder die heruntergeschlagene Brennspritflasche in der Pantry…

600 Liter Diesel in der Bilge

Ab und zu ein Lichtblick: ein lustiger Abend, ein Päckli oder einen Brief von der Schweiz oder wenn die Speditionsgesellschaften und die Post endlich meine Lichtmaschine ganz regulär auf einem Postoffice finden. Aldo montiert sie in grosser Hitze eingeklemmt hinter der Maschine und muss alle elektrischen Anschlüsse anpassen. Er ordnet an, dass ich immer wieder das ordnungsgemässe Arbeiten der Lichtmaschine überprüfe, die Kühlung des Motores, auf Feuer, aussergewöhnliche Geräusche, etc. Es riecht wieder wunderbar nach Motor im Schiff, toll wie er läuft. Am nächsten Morgen stelle ich 20 cm Flüssigkeit im Motorraum fest. Ich muss mich auf den Boden setzen und starre in den Motorraum. Woher soviel Wasser, dass ist nicht möglich. Ich hole ein Glas, das „Wasser“ hat die Farbe von Lindenblütentee, Diesel ist dunkel, oder? Ich funke zu Georg und Achim, die gerade Aperitif einnehmen. „Welche Farbe hat Diesel?“ „Kommt darauf an, wo Du in aller Welt getankt hast“, erhalte ich die Antwort.“ „Sieht venezolanischer Diesel wie Lindenblütentee aus?“. Natürlich ernte ich Gelächter, mir ist aber ganz und gar nicht danach zumute. Tatsächlich, über 500 Liter Diesel liegen in der Bilge im Motorraum. Werde ich das alles mit dem Becher in Kanister abfüllen und entsorgen müssen?

Am nächsten Morgen pumpen Achim, Georg und ich alles mit einer Bilgenpumpe direkt zurück in den Tank. Zum Glück war unser Motorraum so sauber und trocken. Nur die letzten 50 Liter schöpfe ich aus und Kiki entsorgt sie mir im Kanister an der Sammelstelle.

Inzwischen bin ich schon mit allen Wassern und Diesel gewaschen, mein Übernahme lautet bei einigen Mrs. Bilge-Lady und nach dem Lindenblütentee werde ich Monate später noch in Panama von neuen Bekanntschaften gefragt. Viel kann mich nicht mehr erschüttern. Dachte ich.

Fabien verunfallt

Es ist heiss, während die Kinder schlafen, öffne ich die Luken mehr als üblich. Prompt wacht Fabien auf, spaziert direkt auf das Deck und fällt durch die Luke mit dem Kopf auf die Türschwelle der Vorderkoje. Er bewegt sich nicht und eine grosse Blutlache bildet sich um seinen Kopf. Ich rufe mehrmals mit der Funke um Hilfe, für einen Autotransport ins Spital. Keine Reaktion. Verzweiflung stellt sich ein. Erst dann sehe ich, dass ich mich im auf dem falschen Funkkanal befinde. Ich stelle um und schon sind mindesten drei Helfer auf dem Weg und bringen mich an Land, wo wieder Leute mit Autoschlüsseln bereit stehen. Ich bin wieder einmal sehr dankbar und froh über die grosse Hilfsbereitschaft.

Aber genug ist genug. Ich überlege mir, nach Hause zu fahren. Inzwischen ist Mitte September, es sind erst zwei Monate meines Aufenthaltes vorbei. Gleichzeitig ist meine Pechsträhne vorbei. Plötzlich läuft alles tadellos. Wir sind alle gesund und munter und können endlich unser Curacao geniessen. Mitte November erhalte ich noch Besuch aus der Schweiz und wir geniessen eine schöne Zeit. Ab und zu noch ein kleines Manöver oder ein Missgeschick, aber nicht mehr der Rede wert.

An die Löcher in Fabiens Kopf müssen wir uns auch langsam gewöhnen. Weitere zwei Male in Curacao hat er eine stark blutende Schramme am Kopf, die er alle mehrmals wieder aufschlägt.

Festtage in Curacao

Die Zeit vergeht jetzt wie im Fluge. Mit dem Kindergarten nehmen wir die Adventszeit in Curacao auch trotz sommerlicher Hitze wahr. Wir feiern die Ankunft von Santa Klaus und seinen schwarzen Peters am 5. Dezember. Da erhalten die Kinder in Curacao die Geschenke und in der Schule ist einiges los. An Weihnachten bringen alle Segler die Ergebnisse ihrer besten Kochkünste auf ein Buffet ins weihnachtlich geschmückte Sarifundy, das mit ca. 5 Metern Länge drei Mal neu gedeckt wird. An Silvester sind wir im Sarifundy zu Aperitif und Feuerwerk eingeladen. Es ist eine schöne Zeit gemeinsam mit den Seglerkollegen und Kolleginnen.

Rückkehr von Andi

Endlich ist es soweit, Andi kommt mit fünf grossen Taschen am Flughafen an. Die Taschen voll mit Geschenken und Ersatzteilen. Wir geniessen unsere ersten gemeinsamen Tage im neuen Jahr, bevor wir mit dem Aufbau unseres neuen Cockpit-Daches, der Montage unseres neuen Baumes, Festinstallation der Solarpanele, Reparatur der Segel und vielen anderen Kleinigkeiten beginnen. Nach vier Wochen ist unser Schiff wieder wie neu (oder besser?).

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